Gefühle, Sein-Kolumne

Angst vor mir selbst

Heutemorgen war ich etwas verzweifelt, weil ich Sehnsucht nach meiner Traumfrau hatte. Wir hatten uns letzte Woche gesehen und es war sehr schön. Aber es ist auch eine problematische Beziehung und wir sind nicht zusammen. Morgen ist nun Feiertag und ich dachte schon seit Tagen, ich würde gerne mit ihr diesen Tag verbringen. Ich programmierte mich schon seit Tagen auf diese fixe Idee. Es baute sich aber auch Traurigkeit und Frustration auf und meine Gelassenheit verabschiedete sich. Es tat mir weh und ich bekam Angst, sie anzurufen, und Angst vor Verlust und Ablehnung.

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Heutemorgen nun betete ich intensiv zu meiner Höheren Macht und gab meine Machtlosigkeit diesbezüglich zu.

Vorher fühlte ich mich leer und hatte schon den Horror davor, den Feiertag alleine zu verbringen. Auch andere Menschen waren nicht anziehend, sattdessen beurteilte ich sie und stellte mich über sie. Alles war leer und nur diese Frau konnte die Leere füllen. Alles andere ödete mich an, sogar ich selbst ödete mich an. Ich mich am meisten.

Circa eine viertel Stunde nach dem Gebet saß ich am Frühstückstisch und nahm mich selbst plötzlich wahr, wie ich inspiriert und voller Freude mit mir selbst war. Ich hatte Bilder und Ideen von den Sachen, die ich gerne machen würde. Ich erforschte mich und fühlte mich erfüllt, mit all den Möglichkeiten, die mir mein Leben bot und die mich interessierten. Ich hatte keine Gefühle der Leere und Einsamkeit mehr. Ich hatte die Frau vergessen und war bei mir. Ich bin, der ich bin. Dieses Ich zu entdecken – mich zu entdecken – ist allemal genug. Und ich erkannte, es war nur die Angst vor mir selbst, die mich in dieses ganze Kopfkino trieb.

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Indem ich diese Angst zulasse und sie annehme, kann der Teil in mir in mein Bewusstsein treten, den ich verdrängt habe.

In der Beziehung zu mir selbst werde ich unabhängig vom Außen. Das bedeutet nicht, dass ich dann nur noch in mir selbst verweile, sondern dass das Außen von einem Mangel zu einer Bereicherung wird, die ich in Freiheit und Schönheit zu meiner inneren Fülle hinzufügen kann.

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10 Gedanken zu “Angst vor mir selbst

  1. Dorothée Hansen schreibt:

    Vielen herzlichen Dank für diesen wunderbaren Artikel über die Angst vor mir selbst. Genau so, nämlich im „erlösten Zustand“, fühle ich mich derzeit nach einer mehrwöchigen, sehr intensiven Auszeit, in der ich mich so entdeckt und vor allem angenommen habe wie ich bin! Seitdem ich dabei meinen Selbstwert erkannt habe, habe ich die „sehnsüchtige“ Suche im Außen (die auch „nur“ eine Art der nichtstofflichen Sucht ist) aufgehören können… Ich bin sehr dankbar! und darüber hinaus freudig gespannt, was meine „neue“ Austrahlung bewirken wird. Namasté, Dorothée

    • Hallo Dorothée, so ist das, es ist eine nichtstoffliche Sucht, wenn wir im Außen suchen, was im Innern erfüllt sein möchte. Wir wissen oft nicht, was für eine Fülle in unserem Inneren ist. Im Innern ist die Seele. Die Seele ist die Fülle. Das bist du. Und ja, es geht um Selbstwert. Um Selbstakzeptanz und Selbstliebe. Schön, dass du diese Erfahrung hier teilst. Lieben Gruß Ronald

  2. Axel schreibt:

    Lieber Ronald,

    auf deiner Webseite und in den Antworten der Leser finde ich viel Inspiration.

    Nun zu meinem Anliegen, unabhängig vom Außen zu sein ist sicher eine feine „Sache“, die ich gut kenne, zumindest was das finanzielle und den gängigen Lebensentwürfen angeht.

    Aber es ist etwas an diesem (deinem) Text der mich traurig stimmt, soll ich denn „bloß“ Kontakt zu jemanden aufnehmen wenn es „meinem“ Wohlbefinden dient?
    Oder anders ausgedrückt, nur weil es mir nun ohne den „angebeteten“ Menschen gut geht suche ich keinen Kontakt mehr zu ihm?
    Also ich bekomme bei diesem Gedanken Beklemmungen, habe ein schlechtes Gewissen gegenüber dem anderen Menschen, egal was der andere sagt oder scheinbar ausstrahlt, vielleicht möchte, braucht und sucht er deine Nähe, deinen Rat und deine Hilfe.

    Durch das all zu heftige „kontrollieren“ der eigenen Bedürfnisse oder die des „anderen“ bleibt all zu oft die „Aktion“ auf der Strecke, man dreht sich im Kreis, finde ich.

    Das „dümmste“ was man im Leben machen kann ist seine Zuneigung zu verheimlichen, aus Angst abgewiesen zu werden, was hat man zu verlieren, nichts.

    Auch die eigene Eitelkeit sollte davon nicht dauerhaft gekränkt sein, denn man selbst geht ja auch nicht mit jedem eine engere Beziehung ein, weshalb sollten die „anderen“ das anders machen?

    Den Heranwachsenden in meinem Freundes und Bekanntenkreis sage ich „immer“ das es nicht darauf ankommt cool zu sein, sondern das es darauf ankommt im richtigen Moment cool zu sein, ich meine im richtigen Moment aktiv zu werden.

    Ich kann cool mit einem teuren Auto an der Angebeteten vorbei fahren, und dann??
    Ich bin an ihr vorbeigefahren, mehr nicht, beide haben wir in dieser Situation keine Möglichkeit Kontakt aufzunehmen, also „verpufft“ das cool sein zu einem Witz, ich stehe da wie zu vor, ohne meinen angebeteten Menschen.

    Sollte ich dein Anliegen deine Schilderung falsch interpretiert haben bitte ich dies zu entschuldigen, lösche dann bitte meinen Text.

    • Hallo Axel,
      vielen Dank für Deine kritischen Anmerkungen. Was Du schreibst, sehe ich genau so. Aber mir scheint, Du sprichst nicht genau von dem, was ich in dem Text meine. Ich suche ja schon Kontakt zu der „Angebeteten“. Aber ich muss es akzeptieren, wenn sie jetzt keinen Kontakt will. Ich kann sie ja dazu nicht zwingen. Ich habe meine Zuneigung nicht verheimlicht. Ich habe bisweilen versucht, die Frau zu kontrollieren und den Kontakt zu erzwingen, weil es mir sonst so schlecht geht.
      Wir hatten ja die Woche vorher Kontakt und es kommt wohl in dem Text nicht klar rüber, dass da auch eine lange Vorgeschichte existiert, außer dass ich schreibe, dass es eine problematische Beziehung ist und wir nicht zusammen sind. Wir waren zusammen … und dass ich nicht anrufen wollte, war weil es in dem Moment nicht stimmig gewesen wäre. Ich war ja in einer Art Bedürftigkeit und starken Fixierung auf die Person. Ich war nicht mehr bei mir. Ich konnte nur an sie denken. Alle anderen Menschen erschienen mir schal und ich hatte zu nichts Lust, war nur traurig. Das ist keine cleane Liebe. Ich sollte schon in der Lage sein, für mich und meine Zufriedenheit Verantwortung zu übernehmen und das nicht davon abhängig machen, ob eine bestimmte Person mich sehen will oder nicht. Der Schmerz ist da, auf jeden Fall. Der ist auch grundsätzlich richtig, finde ich. Weil man darf schon jemanden vermissen. Das ist ein Ausdruck von Liebe. Ich darf das fühlen und das ist ok. Aber ich darf meines Erachtens nicht von dem anderen verlangen, dass er mir diesen Schmerz nimmt. Er ist nicht dafür verantwortlich, sondern ich. Ich darf ihn allerdings bitten oder ihm meine Sehnsucht mitteilen, da hast du Recht.
      Ich glaube mir ging es in dem Text um die Loslösung von der besessenen Fixierung. Die erfuhr ich und es war so schön, bei mir wieder anzukommen und zu erfahren, dass ich das ganze Glück und die Fülle doch in mir habe.
      Die kann ich dann mit einer anderen Person teilen, das finde ich sehr wichtig und schön. Das ist aber was anderes als von der anderen Person zu erwarten, dass sie meine innere Leere füllt. Vergleiche dazu: http://ronaldengert.com/2010/03/23/vom-umgang-mit-innerer-leere/
      Zur einseitigen Liebe habe ich ganz neue einen Blog veröffentlicht hier: https://www.sein.de/wahre-liebe-falsche-liebe/
      Ich hoffe, ich konnte Dir die beschriebene Erfahrung nun etwas klarer machen?
      Lieben Gruß Ronald

      • Axel schreibt:

        Hallo Ronald,

        danke für Deine Anmerkungen, ich habe mich wohl zu sehr auf nur einen Punkt Deiner Ausführungen konzentriert, dass war oberflächlich von mir, mir gefällt der Denkansatz von Dorothée, die von “sehnsüchtige” Suche im Außen spricht hervorragend, da er stimmig und für mich persönlich „nachweißbar“ ist.

        Eine Klassenkameradin hat mir ein Jahr nach dem ihr Mann durch suizid verstorben war „offenbart“ das sie schon seit Jahren in mich verliebt ist, dazu muss man wissen das wir uns außer bei Klassentreffen (das letzte lag 10 Jahre zurück) nie gesehen oder gehört haben!

        Sie war bei ihren Offerten, die nach einem kurzen Treffen bei einem Kaffee begannen, ziemlich direkt und offenherzig, ich fühlte mich belästigt und genervt, da ich ihre „Gefühle“ nicht erwidern konnte und wollte.

        Sofort musste ich an „Hospitalismus“ und „Stalking“ denken.
        Ich hab ihr gleich direkt gesagt das ich nicht glaube das sie in mich verliebt ist und sie alle Offerten unterlassen soll, (das ist die Kurzfassung, ich bin natürlich so vorgegangen das sie nicht verletzt wird)

        Ich sagte ihr, dass ich vielmehr davon ausgehe das sie auf „Sinnsuche“ ist.

        Indirekt war ich ihr für dieses „Erlebnis“ dankbar, da es eine Anschauung von mir stützt, wonach „wir“ unsere überschüssige Energien in „Dinge“ leiten ohne diese „Dinge“ wirklich zu meinen, einfach nur um etwas zu haben an dem man „kreativ“ tätig sein kann und diese Energien „abbauen“ kann, wie bei allen Süchten ist dieses Unterfangen oft zum Scheitern verurteilt, da es keine wirkliche Erfüllung gegeben kann. Ich bin mir sicher, wäre ich warum auch immer auf ihre Offerten eingegangen würde sie sehr schnell erkennen das sie sich etwas vor macht.

        • Hallo Axel, ja, das ist diese „süchtige“ Liebe, weil es so einseitig ist. Es ist nur ein selbst erschaffenes Bild. Das mit der Sinnsuche ist gut. Das könnte hinkommen 😉

  3. Torsten schreibt:

    Das ist freilich schön, Ronald Engert, Ihre innere Freude und Erleichterung über Ihre Befreiung von der Abhängigkeit vom „Außen“. Nur schieben Sie Ihre Verlagerung des materiellen Außen auf Ihr ideelles Außen, Sie schreiben: Ihre Macht, an die Sie sich im Gebet wandten.
    Für mich läge es dicht am Selbstbetrug, mir meine erwachenden guten Gefühle an solch einem Morgen im Zusammenhang mit einem Gebet zu verinnerlichen.

  4. Agnes schreibt:

    Hallo lieber Ronald,
    ich stöbere gerne in Deinen Texten, besonders diesen hier habe ich in den letzten Jahren schon mehrfach herausgekramt. Mir geht es heute gar nicht gut. Schon heute früh, war ich sehr fahrig, hatte keine rechte Lust auf das Leben, auf mich, beschloss einen langsamen Tag zu machen, aber ich bin immer noch total unleidig, bedürftig und ängstlich, irgendwie zerrupft. Zusätzlich hat sich ein Mitarbeiter eines Kunden beschwert, sehr verärgert und so schlimm, dass er mich nie wieder beauftragen würde. Puh, naja, irgendwie ist meine Arbeit schon ganzheitlich und macht viele unbewusste „Machenschaften“ transparent. Mir gefällt es saubere und transparente Arbeit abzuliefern, ich muss es irgendwie tun, sonst geht es mir nicht gut, diese unbeirrbare Geradlinigkeit, die da aus mir herauskommt macht mir sehr große Angst und es gefällt nicht jedem – aber das kommt nur dazu und erschüttert mein ICH umso mehr. Manchmal klappt es gut mit der Annahme, manchmal schleppe ich den Zustand der Leere tagelang mit mir herum….ist schon auch eine Übungssache und liegt auch an der Größe der Pakete.

    Naja, auf jeden Fall bin ich so froh, wie scheinbar leicht und transparent Du über Deine Heilungsprozesse schreibst, mir hilft das sehr.

    • Hallo Agnes,
      ich las kürzlich ein Buch über Co-Abhängigkeit. Darin schreibt die Autorin, dass Erwachsene Kinder von Suchtkranken Menschen (Co-Abhängige) extrem zuverlässig sind, sogar Menschen gegenüber, die es nicht verdient haben. Sie sind zu zuverlässig! Das gibt es auch! Vielleicht hilft es dir, wenn du irgendwelchen nörgeligen und nicht wohlmeinenden Kunden gegenüber weniger Aufwand mit deiner Arbeit betreibst und es nicht so perfekt machst. Dann erschüttert es dein Ich möglicherweise nicht so sehr, wenn du Ablehnung erfährst…
      Das Buch ist von Janet Woititz: Um die Kindheit betrogen.

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