Gefühle, Liebe, Sein-Kolumne

Die Zärtlichkeit der Seelen

Sex ohne Seele ist Missbrauch. Sex ist für mich kein Ziel an sich. Sex ist für mich immer nur die Begleiterscheinung einer seelischen Berührung, die aber erstmal gegeben sein muss. Wir machen Sex ohne seelische Nähe und sind hinterher frustriert. Ich möchte diese seelische Berührung. Und ich mache im Kleinen die Erfahrung, dass dann ganz automatisch die angemessene körperliche Berührung geschieht, von selbst, ohne das zu beabsichtigen. Ich möchte diese absichtslose körperliche Berührung und Sexualität erleben. Danach sehne ich mich schon viele Jahre. Es gibt eine Frau in meinem Leben, da passieren manchmal diese spontanen Umarmungen, wenn uns unsere Seelen nahegekommen sind. Da kann ich manchmal wirklich spüren: jetzt sind wir uns nahe, wirklich nahe. Da stimmt die körperliche Nähe mit der seelischen Nähe überein.

Und ich kann es spüren, wenn ich diese Frau lüstern berühre und nur saufen will. Ich mache das manchmal, unbeabsichtigt, aber nicht absichtslos im heiligen Sinne, sondern aus dem kranken Muster heraus, das noch in mir sitzt. Das fühlt sich dann hinterher schlecht an, getrennt von ihr. Weil ich sie in dem Moment, in diesem kurzen Augenblick, missbraucht habe, zu einem Stück Fleisch degradiert, das man begrabschen kann.

Ich möchte in diese heilige Absichtslosigkeit kommen, jenseits meines kleinen Egos, in das Nicht-Wollen, in die Führung durch Gott, wo die Berührung der Seelen geschehen kann. Es gibt nur sehr wenige Menschen, die das können. Diese Frau ist eine von ihnen. Sie ist oft sehr nah an sich dran. Sie kann sich spontan öffnen, das habe ich erfahren. Aber sie bleibt auch gnadenlos zu, wenn ich nicht rein bin. Ich kann bei ihr lernen, rein zu werden. Das ist nicht immer schön. Es tut auch weh, den Entzug zu spüren, den Entzug von meiner sexuellen Droge.

Es gibt nichts Schöneres als rein zu sein. Sexuell und beziehungsmäßig rein zu sein heißt, den anderen nicht mehr als Objekt zu gebrauchen, sondern ihn oder sie als vollständig souveränes Subjekt, Lebewesen, fühlendes Wesen zu ehren und zu achten.

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Gefühle, Liebe, Sein-Kolumne

Beziehungssucht

Was bedeutet es, von Beziehungen abhängig zu sein? Es bedeutet, eine Beziehung zu brauchen, um sich ganz zu fühlen. Es kann ein bestimmter Mensch sein, mit dem ich auf jeden Fall eine Beziehung haben will, egal wie. Oder die Menschen können austauschbar sein, wenn ich auf jeden Fall eine Beziehung haben will, egal mit wem. In beiden Fällen sehe ich den Menschen nicht, wie er wirklich ist, und kann nicht wirklich bei ihm sein. Und gleichzeitig kann ich nicht bei mir bleiben und mich nicht mit mir ganz fühlen.

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Die Wahrheit ist, wir sind immer allein. Niemand kann meinen Weg für mich gehen, niemand kann die Verantwortung für mich übernehmen. Und das ist das Schwierige. In letzter Konsequenz kann ich nur mir selbst vertrauen und muss selbst herausfinden, was für mich richtig ist, was mein Weg ist. Wir Menschen brauchen Menschen, und doch kann ich nicht bedürftig und saugend durch die Welt laufen und mich an anderen Menschen nähren. Das ist das Kindschema, die Opferhaltung.

Wo kann ich mich nähren? Männer genesen mit Männern und Frauen genesen mit Frauen. Wenn ich als Kind nicht genug Liebe von meinem Eltern bekommen habe, dann fehlt mir etwas. Das muss nachgenährt werden. Es ist gut, das in nicht-sexuellen Freundschaften zu machen, aber nicht in Partnerschaften. Zugleich muss ich den Schmerz spüren, der durch diesen Mangel entsteht. Es ist wichtig, dem Schmerz nicht auszuweichen, denn sonst kommt die gleiche Situation immer wieder. Sonst fange ich an, die Nahrung bei meinem Partner zu suchen, und das ist nicht der Sinn einer Partnerschaft. Es ist wichtig, durch diesen Schmerz hindurch zu mir selbst zu kommen. Ich bin alleine für mich verantwortlich und es gibt keinen Grund, traurig zu sein. Ich selbst bin ein riesiger Kontinent, den es zu entdecken gilt. Indem ich mich wahrnehme und mit mir bin, entdecke ich mich selbst und kann beginnen, mich zu lieben. Ich kann lernen, mir selbst Gutes zu tun und mich zu nähren. Ich kann selbst meinem inneren Kind Vater oder Mutter sein. Ich kann die Schönheit und Vielfalt des Lebens entdecken. So kann ich dankbar werden.

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12 Schritte-Programm, Authentizität, Liebe, Sein-Kolumne, Selbst

Zeige dich

innere WahrheitZeige dich mit deiner Wahrheit. Wenn du das machst, lernst du gesehen zu werden. Und wenn du das kannst, lernst du Liebe zu nehmen. Dann lernst du dich selbst zu lieben. Und wenn du das kannst, dann lernst du Liebe zu geben. Dann endet die Bewertung der anderen, die du nur machst, um dich davor zu schützen, gesehen und erkannt zu werden. Dann endet die Leugnung und die Scheinidentität. Dann musst du nicht mehr andere abwerten um dich selbst aufzuwerten. Dann endet dein Minderwert. Wir lieben dich, solange bis du dich selbst lieben kannst. Die umwerfende Erfahrung besteht darin, sich zu zeigen, mit all seinen Abgründen und Blößen, und hinterher eine Umarmung zu bekommen, angelacht und angenommen zu werden. Die andere umwerfende Erfahrung besteht darin, diese Liebe nehmen zu können. Angst und Scham treiben uns in die Isolation, in das Gefängnis des schönen Scheins, wo man unheimlich hipp und cool ist. Aber wir brauchen jemanden, der an uns glaubt, gerade dann wenn wir nicht an uns selbst glauben können. Ehrlichkeit ist das Gegenmittel gegen die Lüge.

Wir haben Angst gesehen zu werden, denn dann kommt die ganze Wahrheit über uns ans Licht. Wir haben Angst verurteilt oder abgelehnt zu werden. Wir sind wie Menschen, die niemanden an sich heranlassen. Wir denken, die anderen wollen uns nicht. Aber die anderen wollen uns Liebe geben. Wir können diese Liebe nicht sehen und nicht nehmen. Indem wir uns zeigen, durchbrechen wir diesen Kreislauf der Leugnung, des Scheins und des Getrennt-Seins. Das ist die mutige Tat. Nicht als Gejammer, aber ehrlich und nüchtern. Versuche, die Wahrheit zu sagen!

Wenn dann die innere Fülle beginnt, der innere Frieden und das Bei-sich-Sein, dann können wir fühlen und lieben. Dann können wir vom Herzen unsere Liebe geben. Die Einsamkeit und Isolation enden. Das alles ist ein langsamer Wachstumsprozess über Jahre. Mach dir nichts vor. Du bist eine Eiche. Je langsamer du wächst, umso stärker wirst du. Dann kommst du an bei dir, in der Welt und bei den Menschen.

(Text für meine monatliche Kolumne in der Zeitschrift SEIN, Berlin Juli 2014)
Dank an das 12-Schritte-Programm, dem ich die meisten dieser Verwirklichungen verdanke.

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Berlin, Liebe

Berlin Blog

16.08.2010

Gestern Abend erlebte ich den „pain of regainment“, den Schmerz, der aus dem Wiederfinden einer verlorenen Freude und Lebendigkeit hervorgeht, wenn einem bewusst wird, wie lange man diese Freude nicht gehabt hat.
Ich war zufällig in einem Salsa-Club im Prenzlauer Berg gelandet. Zuvor hatte ich mir den neuen Film „8. Wonderland“ in der Kulturbrauerei angeschaut (dazu später evtl. mehr). Nach dem Film hörte ich in der Nähe Musik und ging hin.
Es waren dort viele Menschen, drinnen und draußen. Der Abend war mild. Es gab eine Terasse, wo Menschen auf Salsa-Musik tanzten. Der Eingang in das Lokal war offen und einladend. Keine Tür, keine Gesichtskontrolle. Ich ließ mich reintragen und landete an einer Tanzfläche drinnen.
Zunächst fand ich das alles etwas befremdend. Es roch etwas süßlich nach Raumdeo. Es war recht warm. Der Raum war voll mit tanzenden Menschen, jedoch nicht so voll, dass es ein Gedränge war. Sie tanzten Salsa, d.h. sie tanzten in Paaren. Die Beleuchtung war recht gut. Die Menschen waren vom Alter her etwa zwischen 30 und 50. Es gab einige Latinos, machen Leute waren etwas schicker gekleidet, andere schlicht oder lässig, immer jedoch geschmackvoll und lebensfreudig. Es waren schöne Menschen. Schöne Frauen und schöne Männer.
Und das faszinierte mich zunehmend, je länger ich den fröhlich und virtuos tanzenden Paaren zuschaute. Da waren richtige Frauen! Frauen, die ihre Weiblichkeit hervorbrachten und zeigten, Frauen, die gerne mit Männern zu tun hatten.
Jahrelang hatte ich solche Frauen nicht mehr gesehen. Das ist wirklich so. Ich bewege mich in alternativen und esoterischen Kreisen. Da, wo ich in den letzten Jahren umging, wurde wenig getanzt, und wenn, dann alleine. Man ging alleine auf die Tanzfläche und tanzte alleine. Auch letztens erst, am Samstagabend der Integralen Tagung, war eine Tanzparty und es ging eher so zu, dass jeder für sich alleine tanzte. In diesen Kreisen – und das fällt mir jetzt im Gegensatz zu gestern Abend so richtig ins Auge – gibt es keine weiblichen Frauen. Es gibt männliche Frauen, Emanzen, Frauen mit einer gestörten Beziehung zu Männern und Geschlechtslose, aber keine Frauen, die ihre Weiblichkeit leben. Natürlich steht das in diesen alternativen und spirituellen Kreisen immer als Forderung im Raum. Aber es ist uns nicht bewusst, wie weit wir davon entfernt sind, das zu leben. Männerbild und Frauenbild hängen voneinander ab. Das Männerbild in den alternativen Kreisen ist sehr negativ. Der Mann wird eher als potentieller Vergewaltiger und Gefühlskrüppel wahrgenommen. Männer versuchen, sanft und verständnisvoll zu sein. Frauen lassen ihre Weiblichkeit verkümmern.

Schönhauser Allee

Ich sehe es ja an mir. Vor ca. einem Jahr war ich zufällig in einer Salsa-Kneipe in Mannheim. Wir waren mit Freunden dort. Ich hasste diesen Laden. Mir gefiel die Musik nicht und ich hatte nur verächtliche Meinungen für die Gäste übrig. „Die verschwenden ihre Zeit mit oberflächlicher Zerstreuung. Die sind nur auf Sex aus. Das ist obszön. Die sind alle besoffen.“ Meine „politisch korrekte“ Haltung erlaubte es mir nicht, die Schönheit in diesem Tun zu sehen. Ja, ich hatte sehr verurteilende und bewertende Gedanken. Diese Gedanken bildeten ein Weltbild, das meine Meinungen und Überzeugungen prägte. Aber es waren doch sehr rigide und lebensfeindliche Werte, wie ich jetzt langsam merke. Ein Konglomerat aus linker Politik, Öko, asketischer Spiritualität, Weltverbesserer und Entfremdung. Ja, ich war sehr streng mit mir und mit anderen.

Insbesondere meine Mann-Frau-Konzepte waren alles andere als gesund. Und das scheint mir eben auch bei vielen sogenannten reflektierten oder erleuchteten Leuten der Fall zu sein, bei denen, die sich alternativ verstehen und irgendwie „schon ein bisschen weiter sind“. Da sehe ich Berge von beziehungsgestörten Menschen. Da sehe ich konfliktreiche Mann-Frau-Beziehungen. Da sehe ich Frauen, die ein Problem mit Männern haben und keine Frauen mehr sind, und Männer, die ein Problem mit sich haben und keine Männer mehr sind. Da wird alles problematisiert und das Leben vergessen. Es herrscht viel Schwere und Isolation. Natürlich nicht vordergründig. Natürlich möchte jeder einen guten Schein abgeben. Natürlich wollen wir alle locker und souverän rüberkommen, erfolgreich und beliebt. Manchmal hasse ich die Frage ,Wie geht‘s?‘, weil doch nur erwartet wird, das man ein souveränes, cooles ,Alles bestens‘ rüberbringt. Und wenn ich mal sage ,Es geht so‘ oder Ähnliches, weil es mir wirklich nicht so gut geht, ernte ich erschrockene Blicke des Unverständnisses mit erstaunten Repliken und guten Ratschlägen, wie ich so schnell wie möglich diese dunkle Stimmung wieder loswerde: ,Alles easy‘, ,positiv denken‘, ,mach dich locker‘.
Und ich muss gestehen, was mir da in dem Salsa-Club begegnete, waren echte Männer und echte Frauen, die sich und das Leben feierten. Es waren schöne Frauen und Männer, weibliche Frauen und männliche Männer, die leidenschaftlich tanzten, virtuos und körperlich, die ihre Hüften bewegten wie Bauchtänzer, sich umarmten und erotisch miteinander spielten. Es waren einige Paare auf der Tanzfläche, die offensichtlich auch in einer Mann-Frau-Beziehung miteinander waren, und da war die Nähe und Berührung wirklich schön anzuschauen. Die Bewegungen waren fließend, befreit, energetisch. Es war offensichtlich, dass die Männer und Frauen Spaß aneinander hatten. Sie tanzten gerne miteinander. Sie wollten die Nähe und Berührung. Sie wollten die sexuellen Anspielungen. Sie feierten ihre Körperlichkeit und Lust. Das war ohne ideologischen Überbau, ohne spirituelle Bemäntelung. Das war direkt und klar. Und es war so lebendig. Und diese Menschen waren einfach schön.
Für mich als Mann war es besonders schön, diese Frauen zu erleben, die keine Angst oder Vorbehalte vor Männern hatten.
Es gab drei Tanzflächen und irgendwie hatte ich Glück gehabt. Die Tanzfläche, wo ich stand, hatte einen DJ, dessen Musik mir gefiel, und die Tänzerinnen und Tänzer waren wirklich sehr gut. Es ging bei dem ganzen Event offensichtlich nicht darum, sich mit Alkohol anzuturnen. Die Menschen hatten Freude am Tanzen. Es lag etwas Sattvisches in der Luft.
Meine letzten beiden Beziehungen mit einer Frau waren geprägt durch Vorbehalte gegen Männer und Sexualität. Es waren beides verletzte Frauen, Opfer von Missbrauch und Sucht. Natürlich hatte das auch etwas mit mir zu tun. Auch ich hatte diese Vorbehalte.
In dieser Salsa-Tanzbar konnte ich hingegen erleben, was gesundes Leben ist. Hier könnte ich lernen, wieder leicht und unbelastet mit Frauen in Kontakt zu gehen und das Gefühl zu erfahren, dass meine Freude über die Begegnung geteilt wird.

Was hat das mit Berlin zu tun? Berlin führt mich auf unbekannte Pfade. Es ist so viel los hier und ich kann Dinge erleben, die ich mir nicht selbst ausdenken könnte.
Und eine politisch unkorrekte Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen. Es war schon ein Unterschied zwischen der Salsa-Disco in Mannheim und der gestern Abend in Berlin. In Berlin haben sie Stil, das hat was von Kunst und Kreativität. Das ist edel und selbstbewusst. In Mannheim ging es schon in Richtung Prol. Die haben sich besoffen, aufgegeilt und grölten herum. Das war nicht viel von Kunst und Geschmack zu erkennen.
Tja, es geht auch um Qualität. Das wird leider in unserem gegenwärtig vorherrschenden Alle-sind-gleich-und-Bewertung-ist-schlecht-Dogma oft sehr verurteilt.
Kunst und Schönheit sind Ausdruck des Lebens. Das hat etwas Edles. Leben bedeutet Veredelung. Es kann nicht ausreichen, sich auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu treffen, damit niemand gekränkt ist. Das soll nicht heißen, dass jemand minderwertig ist. Es geht darum, das jeder in sich das findet, was ihn schön macht und was seine Kunst ist. Es geht darum, den Wert zu finden, der uns zu uns selbst macht. Wenn wir diesen Wert gefunden haben, dann brauchen wir nie mehr neidisch auf andere zu sein, die in irgendeiner anderen Domäne besser sind als wir. Ich halte es für verantwortungslos, sich über andere zu beschweren, weil die schöner, intelligenter oder erfolgreicher als man selbst ist. Es ist ein Leugnungsmanöver, in dem andere für das eigene Leiden oder Minderwertigkeitsgefühl verantwortlich gemacht, ja beschuldigt werden, um nicht die Verantwortung für das eigene Leben übernehmen zu müssen. Das ist die spirituelle Krankheit. Manche verwechseln das und denken, das sei politische Korrektheit.

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Liebe

Liebe nehmen, Liebe geben

Es ist wichtiger, Liebe zu nehmen, als Liebe zu geben. Wir sind in unserem verletzten Selbst unfähig, Liebe zu nehmen. Das muss geheilt werden.
Indem wir Liebe nehmen, öffnen wir unser Herz. Das Herz kann nur von innen geöffnet werden, und es öffnet sich zuerst nach innen. Wenn wir die Liebe eines anderen nehmen können, fühlt der andere sich auch geliebt. Das ist die Eigenheit der Liebe, dass sie „reaktiv“ funktioniert, indirekt, nicht über Druck, sondern über Zug. Viktor Schauberger wies auf diese Funktionsweise der Lebenskraft hin.
Indem ich also die Liebe des anderen nehme, hat der andere das Gefühl, er wird geliebt. Die Liebe fließt.
In unserem verletzten Emotionalkörper sind wir jedoch der Ansicht, wir haben keine Liebe verdient und wir dürfen uns nicht zumuten. Wir verschließen uns.
Das Liebe-Geben, was allerorten empfohlen wird, funktioniert jedoch nicht. Wir überschütten uns ständig gegenseitig mit Liebe, aber keiner kann sie annehmen. Deshalb fühlen wir uns unwohl, wenn uns jemand Liebe geben will und rennen denen hinterher, die uns keine Liebe geben, und betteln um ein wenig Liebe. Im Grunde ist es so, dass wir keine Liebe annehmen können, dies aber eigentlich brauchen, denn es ist eine menschliche Grundkonstante, dass wir Liebe brauchen. Die Liebe bekommen wir – logischerweise -, indem wir sie nehmen.
Die Verrücktheit besteht darin, dass wir dazu nicht in der Lage sind und uns dann auf das Geben von Liebe verlegen, denn dann haben wir die Kontrolle. Geben ist der Kontrollmodus: Befehle geben, Anweisungen geben, Ratschläge geben, Unterweisung geben. Das Nehmen ist der Modus des Lebens. Deshalb versucht ein Süchtiger zu nehmen. Das Nehmen ist nicht das Falsche, nur das, was er nehmen möchte, ist nicht das Richtige.
Als Kinder sind wir reine Nehmer. Wir nehmen die Liebe und das Wissen unserer Eltern oder Bezugspersonen. Das Problem entsteht, wenn diese Bezugspersonen nicht in der Lage sind, emotional mit uns in Kontakt zu treten. Wir merken, da kommt nichts. Dann machen wir zu und hören auf, zu nehmen.
Nehmen bedeutet: annehmen, wahrnehmen, hinnehmen, verstehen, mich lieben lassen, zulassen, loslassen.
Dies bedeutet, an der tiefsten Wurzel unseres Paradigmas ist schon ein Fehler: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Das ist Liebe geben. Dieser Satz ist demzufolge schon Ausdruck des Kontrollparadigmas.
Die Einsicht, dass wir andere nur lieben können, wenn wir uns selbst lieben, entschlüsselt sich in diesem neuen Paradigma. Weil wir uns wertlos fühlen, können wir keine Liebe nehmen. Wir glauben, wir sind es nicht wert, haben es nicht verdient. Wir können uns aber erst selbst lieben, wenn wir in der Lage sind, Liebe zu nehmen. Als erstes kommt das Nehmen. Wir können uns nicht selbst lieben ohne zu nehmen.
Nehmen ist in unserem kulturellen Paradigma negativ besetzt: Geben ist seliger denn Nehmen. Geben ist das Gute, Nehmen ist das Schlechte. Aber das ist der Fehler.
Nur wer nimmt, lässt den anderen frei. Es ist eine ganz andere Weltsicht und Herangehensweise. Im Geber-Modus laufe ich durch die Welt und schaue: wer gefällt mir und wer gefällt mir nicht? wer ist es wert, dass ich ihm meine Liebe gebe?, wenn liebe ich?. Hier entsteht Wertung, Urteil, Perspektive.
Im Nehmer-Modus laufe ich durch die Welt und schaue: wo bekomme ich Liebe?, wo kann ich Liebe nehmen? Ich SEHE die Liebe da, wo sie mir begegnet. Das ist das Brauchen und Nehmen. In der Klinik Bad Herrenalb sagen sie: „Ich bin, ich brauche, ich bin berechtigt.“ Das ist der Heilungsweg. Ja, wir sind bedürftige Wesen. Wir sind alleine machtlos. Wir können die Liebe nicht autonom und autark aus uns selbst generieren. Liebe ist intersubjektiv. Das höchste Subjekt ist Gott. Wir können auch die Liebe Gottes nehmen. Doch auch dazu sind wir unwürdig im alten Paradigma. „Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach.“ Und dann kommen diese ganzen Geber-Konzepte: du musst Gutes tun, du musst geben, du musst dich opfern. Aber das ist alle nur die philosophische und institutionelle Rechtfertigung von Co-Abhängigkeit. Der Kontrollmodus der Verzweiflung.
In Wirklichkeit ist es unser verletzter Emotionalkörper. Die Angst vor weiterer Verletzung und Verlust hat uns verschlossen.
Das Problem ist nicht die Unfähigkeit, Liebe geben zu können. Das Problem ist die Angst, Liebe zu nehmen. Es ist unser Denken, dass wir wertlos sind.
Wenn wir uns lieben lassen, fühlt sich der andere geliebt.

Quellen

Daniel Barron: Drei Tage, Hamburg 2009, Wells of Wisdom-Verlag, www.wells-of-wisdom.de
Viktor Schauberger: Die Entdeckung der Levitationskraft, Teil 1-4, in Implosion Nr. 112-115, Offenburg 1995-1996, www.implosion-ev.de
Bad Herrenalber Modell: Dan Casriel: Wiederentdeckung der Gefühle, 12 x 12-Verlag, Oberursel o.J.

Zitate

Daniel Barron:

„Das Geheimnis besteht darin, nicht Liebe aus uns heraus auf jemand anderen zu ‚gießen’, Pilger. Das authentische Selbst liebt, indem es bewusst die Türen des Herzens nach innen öffnet und jemand anderes in sich hinein lässt. Wenn wir die Türen des Herzens auf diese Weise nach innen öffnen, dann fühlt die Person, der wir sie öffnen, unsere Liebe automatisch viel, viel stärker, denn dann fühlt sie eine Vibration des Jemand-in-uns-Hineinlassens, welche nicht vom strategischen Selbst gefiltert wird, und dann kann sich die wirkliche Liebe des mutigen authentischen Selbst zwischen beiden hin und her bewegen. (…) Es ist nicht so, dass ich im Moment Liebe für dich fühle. Ich habe die Schwingtüren meines Herzens weit nach innen geöffnet, und das gibt dir die Erfahrung, von mir geliebt zu werden. Das ist das ganze Geheimnis, Pilger, aber etwas, was niemand machen kann, dessen Herzenstüren noch unbewusst und strategisch verschlossen sind. (…) ‚Bedingungslose Liebe’ kann nur nach außen hin auf andere gegossen werden, und das nur vom strategischen Selbst. Universelle Liebe kann nur von einem authentischen Selbst verkörpert werden, das seine Strategien geheilt hat und das andere in ein Herz hineinlässt, welches den Selbstwert, geliebt zu werden, bereits energetisiert und nicht nur daran glaubt.“ (Drei Tage, S. 163)

Viktor Schauberger:

„Eine direkte Verbesserung oder Verschlechterung als Folge dieser oder jener Arbeitsart-Verrichtung oder deren Steigerung ist demnach ausgeschlossen. Denn in der Natur gibt es nur mittelbare, also biologische, d.h. r e – aktive Wirkungssteigerungen. Damit erledigt sich jedes vermeintliche Äquivalent, materielle oder feinstoffliche Energiekonzentrationserhaltung, von selbst. Denn alles ist dem ewigen Stoffwechselvorgang – dem panta rhei – bedingungslos unterworfen, da dieser ewige Fluss das fundamentale Mittel zur stofflichen Läuterung (allgemein Entwicklung genannt) ist.“ (Implosion 112, S. 23f.)

Dan Casriel:

„Liebe in reifer Weise anzunehmen ist vermutlich das Gefühl, das man in unserer Kultur am schwersten aufzubringen vermag. Überraschenderweise ist die Schwierigkeit nicht etwa die, Liebe zu schenken, sondern die, Liebe hereinzulassen. Es ist geradezu so, als ob wir uns gegen das, was wir am meisten brauchen – nämlich geliebt zu werden -, am meisten wehren.“ (Wiederentdeckung der Gefühle, S. 279)

„Die Fähigkeit, die Gefühle anderer mitzufühlen, ist natürlich wesentlich, da sich der Prozess daran aufbaut.“ (S. 292)

„Am liebsten sähe ich es, dass die Prinzipien der Vermenschlichung Wurzeln in der Familie schlügen, so dass ein Kind sein natürliches Recht bekommt, sich liebenswert zu fühlen, und dass es sich für berechtigt hält, seine Emotionen ehrlich zu äußern, ohne Strafe fürchten zu müssen.“ (S. 303)

„Menschen brauchen emotionalen Kontakt mit anderen. Wir müssen Beziehung zu den verletzbaren Gefühlen anderer haben, nicht zu der stolzen Fassade oder dem verklemmten Verhalten, das uns nur allzuoft begegnet.“ (S. 304)

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