Philosophie, Selbst

Der absolute Ort, Band 1 und 2

»Der absolute Ort«:

Ich freue mich, Euch mein philosophischen Werk  vorstellen zu dürfen.

Band 1 erschien im August 2014. Band 2 nun im August 2015.

Die menschliche Existenz ist immer relativ. Es fällt uns schwer, absolute Maßstäbe zu finden, an denen wir unsere Ethik und unsere Moral ausrichten können. Verschiedene Menschen haben verschiedene Werte, und diese hängen ab von Ort, Zeit und Umständen. Leider sind wir als Menschen endlich und auch sterblich. Es gibt innerhalb der menschlichen Gesellschaft nur bedingt absolute Werte. Selbst Werte wie Gerechtigkeit oder Gleichheit werden fragwürdig, wenn es um das individuelle Selbst geht, das einzigartig ist und mit niemandem verglichen werden kann.

 

Grandville: le pont des planetes

Die Aufsätze des Buches beschäftigen sich von verschiedenen Seiten mit der Frage, wie der einzelne sich als Subjekt und als Teil der Gesellschaft verorten kann. Es geht nicht um blinden Glauben oder religiöse Dogmen, sondern um eine erkenntnistheoretische Dimension. Der französische Philosoph Immanuel Levines hat auf dieser Qualität Gottes hingewiesen. Er ist der absolute Ort, von dem aus wir uns selbst und den anderen verstehen können. Der absolute Ort ist Gott, wie jeder für sich versteht.
Mehr Infos und Bestellungen: www.tattva.de/der-absolute-ort

 

Inhalte:

Der Autor Ronald Engert

Band 1: Aufsätze 1994-2007

Tattva Viveka Edition, Berlin 2014, Band 1, 376 S., geb., 24,80 €
Auch als eBook: 14,80 €
ISBN Print: 978-3-945129-06-7
ISBN eBook: 978-3-945129-07-4

Der rote Faden • Die Dialektik der Religion • Omnia videns. Zur Sprachtheorie der Kabbala • Zur Kritik der Gewalt • Platon und die Bhagavad-gita • Die Lebenskurve • Kritik des Intellekts • Geist, Leben und Materie • Das Eigene und das Fremde • Leben bestimmt Leben • Das Bewusstsein der Maschinen • Magisches Denken und esoterisches Gottesbild • Der 11. September und der Terror der westlichen Welt • Die Gottesvergiftung und die Wunde des Gewissens • Die Seele ist ewig • Wer bin ich? • Vedische Erkenntnistheorie • »Bleep« • Die drei Gesichter Gottes • Der Kreuzzug der Gottlosen • Über das Sehen

Der Autor Ronald Engert

 
 
Band 2: Aufsätze 2008-2014

Tattva Viveka Edition, Berlin 2015, Band 2, 334 S., geb., 24,80 €
Auch als eBook: 14,80 €
ISBN Print: 978-3-945129-09-8
ISBN eBook: 978-3-945129-10-4

Warum Philosophie des Subjekts? • Religion als Sucht • Optimierung des Menschen? • Fühlen und Denken • Live Stream. Leben und Gefühl • Die Pforte zu sich selbst. Meditation und Wissenschaft • Entwirrung der Gefühle • Wir sind alle ewige Personen • Die Geschichte der Tattva Viveka • Woher kommt das Recht? • Ins and Outs. Männliche und weibliche Erkenntnis • Der subjektive Faktor und die objektive Wissenschaft • Sektenhetze als spirituelles Phänomen • Blick in die Ewigkeit. Nahtoderfahrungen • Die Ekstase der Gottesliebe • Die Kunst des Nehmens • Die spirituelle Bedeutung von Geld • Da ist niemand

Jetzt hier mehr zum Inhalt und zum Webshop: www.tattva.de/der-absolute-ort

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12 Schritte-Programm, Sein-Kolumne, Selbst

Gelassenheit

»Wir taten alles, um die Illusion zu bewahren, dass wir die Kontrolle über unser Leben hätten. Auf diese Weise hinderten wir uns selbst daran, jene Gelassenheit zu erlangen, die wir erhalten, wenn wir dem Willen einer Höheren Macht gegenüber kapitulieren.«1

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Dieses Zitat aus einem Buch des Zwölf-Schritte-Programms zeigt, wie hier die Gelassenheit erreicht wird. ›Loslassen und Gott überlassen‹ ist eine bekannte Devise. Wir übergeben unseren Willen der Fürsorge einer Höheren Macht und glauben daran, dass diese Höhere Macht liebevoll und barmherzig ist. Und wir glauben daran, dass dieser göttliche Wille das Beste für uns ist. Unsere eigenen menschlichen Ratschlüsse können diese Weisheit niemals erreichen.

Neulich sprach ich mit einer Person, die der buddhistischen Tradition zugeneigt ist. Sie erklärte mir, dass das Ziel des Buddhismus darin besteht, die Erscheinungen im Geist, d.h. die Gedanken und Gefühle, wie Wellen auf der Oberfläche zu betrachten, die keine wirkliche Bedeutung haben. Sie kommen und gehen und haben nichts mit mir zu tun. Wenn ich das verstanden habe, entsteht große Gelassenheit, weil ich mich nicht mehr mit den Gedanken und Gefühlen identifiziere.

Dies sind zwei radikal unterschiedliche Zugangswege. Der moderne pluralistische Ansatz würde nun sagen: das muss jeder für sich selbst wissen und alles ist gleich gut. Es lassen sich hier indes deutliche Unterschiede bemerken: der Weg mit Gott baut darauf, dass es eine höhere Macht gibt, die mein Leben führt. Der buddhistische Weg funktioniert komplett ohne Gott und baut auf die Eigenleistung des Menschen. Während der Weg Gottes bedeutet, meine Kontrolle als Illusion zu betrachten und aufzugeben, impliziert der buddhistische Weg, dass es meiner Kontrolle unterliegt, was mit mir geschieht. Diese Kontrolle wird dadurch erreicht, dass ich mich von meinen Gedanken und Gefühlen abtrenne.

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Im Weg mit Gott unterliegen sowohl meine Gedanken als auch meine Gefühle dem Willen Gottes und sind somit wesenhaft. Wenn ich mich dem Willen Gottes hingebe, fühle und erlebe ich die Dinge, die dem göttlichen Willen entsprechen. Meine Gedanken und insbesondere auch meine Gefühle gehören zu mir und haben eine wesenhafte Bedeutung.

1 Nur für heute, Narcotics Anonymous World Services Inc., 2004, S. 341

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Authentizität, Sein-Kolumne, Selbst

Ehrlichkeit

Ehrlichkeit ist der Schlüssel zur Freiheit. Sie bringt uns in die Gegenwart. Viele von uns versuchen immer noch, ein gutes Bild nach außen abzugeben. Wir wollen uns immer noch gut anhören. Aber mit dieser Abhängigkeit von außen verraten wir auch uns selbst. Dann können wir uns selbst nicht so sehen, wie wir wirklich sind. Und das führt zu Scham, Schmerz und Isolation. Wenn ich meine Seele oder mein wahres Ich verleugne, ist das enorm schmerzhaft. Das ist die Abspaltung von mir selbst. Es geht nicht darum, bei anderen gut anzukommen, sondern darum, bei mir selbst gut anzukommen.

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Diese Unehrlichkeit und Leugnung nährt die spirituelle Krankheit, d.h. die Abspaltung von mir selbst und den daraus resultierenden Verlust von Kraft und Freude. Es ist wichtig, dass wir uns zeigen, auch mit unseren Fehlern und Mängeln. Diese Mängel wachsen im Dunkel der Leugnung und sterben im Licht der Enthüllung.

Viele von uns dachten, es sei nicht nötig, Gott gegenüber die genaue Art unserer Fehler zuzugeben. »Er weiß doch eh alles«, sagten wir uns. Aber das Eingeständnis muss von uns selbst kommen, damit es wirksam ist. Es liegt in unserer Freiheit, ob wir uns offenbaren oder nicht. Aber nur durch diese Offenbarung können wir heilen.

Oft haben wir Angst, uns zu zeigen. Es ist wichtig, Menschen unseres Vertrauens zu finden, von denen wir wissen, dass sie nicht böswillig sind oder uns aus einem Missverständnis heraus beurteilen.

Es geht darum, klar, ehrlich und einfach zu sein. Wir sagen die Wahrheit kurz und bündig, ohne blumige Worte, die die Sache verharmlosen oder dramatisieren.

Was mich betrifft, fällt es mir nicht leicht, diese Fähigkeit zu entwickeln. Es bedeutet für mich immer wieder, mich zu prüfen und zu spüren, ob das, was ich sage, die Wahrheit ist. Meine Neigung ist, es doch nicht so genau zu sagen, denn das macht mir Angst. Angst vor Ablehnung und Verlust. Aber hier beginnt schon die Abwärtsspirale. Hier verliere ich mich selbst.

Je ehrlicher ich mich zeige, umso erleichterter bin ich hinterher. Dann erfahre ich Berührung mit meinem Gegenüber und mit mir selbst.

Wir Menschen sind intersubjektive Wesen. Nur indem wir uns zeigen, werden wir der, der wir sind.

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www.burnout-und-sucht.de

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Sein-Kolumne, Selbst

Subjekt und Unterwerfung

Viele Menschen streben nach Selbstverwirklichung. Wir möchten frei und selbstbestimmt leben. Schon Immanuel Kant forderte, aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit herauszutreten und zu einem autonomen Subjekt zu werden, das selbst entscheidet und handelt.

Daran ist nichts auszusetzen, doch was ist eigentlich ein Subjekt? Das Wort stammt vom lateinischen »subjectum«, was »unterworfen« bedeutet. Dies erstaunt mich doch sehr, denn wie kann ich gleichzeitig frei und unterworfen sein? Geht es nicht darum, aus der Unterdrückung und Fremdbestimmung heraus zu gelangen und selbst zum Herrn und Meister zu werden?

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Hier spüren vielleicht schon einige ein deutliches Unbehagen beim Wort »Herr«. Möchte ich ein Herr werden? Sind wir nicht angetreten, um das Patriarchat und autoritäres Verhalten zu beenden? Sind wir nicht mehr als skeptisch gegenüber Herr-Schaft und suchen wir nicht stattdessen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit? Im allgemeinen versuchen wir, jede Form von Herrschaft und Hierarchie zu vermeiden, um uns auf gleicher Augenhöhe zu begegnen. Doch auch das kann zum Machtkampf werden, wenn es darum geht, nicht der Untergeordnete zu sein.

Neulich wollte ich gleichzeitig mit einem anderen Mann durch eine Tür gehen. Er wollte mir den Vortritt lassen und ich wollte ihm den Vortritt lassen. Es hatte eine gewisse Komik, weil erst keiner durch die Tür ging. Wir beide wiederholten die Einladung mehrfach, bis der Stärkere sich durchgesetzt hatte – derjenige ging dann als Zweiter, denn er war stärker in der »Unterordnung«. Es war eine gegenseitige Geste der Höflichkeit und des Respekts, und es war ein Akt der Schönheit und der Liebe, den anderen vorzulassen.

Jede natürliche Form von Beziehung beruht darauf, dem anderen zu dienen und sich ihm in Liebe und Respekt zu unterwerfen. So schlimm dieser Begriff der Unterwerfung auch von negativen Bedeutungen überfrachtet ist, so ist er doch zutreffend. Viele von uns haben mit diesem Begriff ein Problem, dabei wäre es so einfach, gute Beziehungen zu haben, wenn wir uns mehr vor dem anderen verneigen würden und bereit wären, unser Ego zurückzunehmen und dem anderen zu dienen, also uns zu unterwerfen. Nur so wächst die Liebe und nur so werden wir zum Subjekt.

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Sein-Kolumne, Selbst

Kapitulation

Viele Menschen in der spirituellen Szene suchen nach Heilung oder einem spirituellen Erwachen. Die Idee dahinter ist mitunter, dass ich ein besserer Mensch bin, wenn ich den spirituellen Weg gehe, und allein die Tatsache, dass ich mich spirituell betätige, bringt mich auf die sichere Seite.

Aber dem ist nicht so. Wie in anderen Beiträgen an dieser Stelle ausgeführt, geht es auf dem spirituellen Weg darum, bei sich selbst anzukommen. Wer bin ich aber wirklich? Wo stehe ich tatsächlich?

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Hier kommt die Realität ins Spiel. Eines unserer Probleme besteht darin, dass wir es einfacher finden, unsere Wahrnehmung der Realität zu ändern, als die Realität selbst. Um die Realität zu ändern, bedarf es aber zuerst einmal der ehrlichen Einsicht, wo ich gerade wirklich stehe.

Und hier kommt die Kapitulation ins Spiel. Welche Probleme habe ich? Wo liegen meine Fehler? Was habe ich an Schaden angerichtet? Und was kann ich tun?

Die Wahrheit ist, dass ich oft machtlos bin. Ich bin in einer bestimmten Situation oder habe ein bestimmtes Verhalten und kann es nicht ändern. Meine Erfahrung ist, wenn ich meine Machtlosigkeit annehmen kann, dann geht es mir gut. Dann bin ich bei mir und nicht mehr abhängig von außen.

Meine Machtlosigkeit ist meine Wahrheit. So wenig schön dies für mein Ego ist, das immer der Meister und der Sieger sein will, so wahr ist es doch für meine Seele. Und hier öffne ich mich für die Gnade. Hier beginnt die wahre Hingabe. Hier nehme ich meine wahren Status an. Und nur hier kann eine echte Veränderung geschehen.

Es nützt nichts, sich etwas vorzumachen. In der Wahrheit fühlen wir den Kammerton A, das Echte, Stimmige, denn die Seele hat das absolute Gehör. Erst wenn ich meine Machtlosigkeit zugebe, bin ich da, wo ich wirklich bin. Dann ist mein spirituelles Handeln keine Täuschung und kein strategisches Selbstbild mehr. Nur dann kann ein spirituelles Erwachen geschehen.

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Authentizität, Gefühle, Sein-Kolumne, Selbst

Falsche Gefühle

Neulich hatte ich Wut auf einen Freund. Ich war zutiefst verletzt und gekränkt. Er hatte mehrfach meine Anrufe unterbrochen, weil ihm etwas dazwischen kam, und mir gesagt, er würde später zurückrufen. Das hat er nicht getan. Ich habe vergeblich gewartet. Da dies mehrfach hintereinander passierte, war ich irgendwann richtig sauer. Ich sah schon das Ende unserer Freundschaft und legte mir im Geiste meine Abrechnung mit ihm zurecht. Ich hatte die schlimmsten Namen für ihn und eine lange Liste von Vergehen, denen er sich schuldig gemacht hatte.

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Ich verhielt mich jedoch passiv und agierte nicht. Ich schaute mir diese Gefühle von Schmerz, Trauer und Wut an und verfolgte sie an ihren Ursprung zurück, so gut ich konnte. Indem ich sie aushielt und nicht versuchte, sie zu ändern, z.B. indem ich anrufe und die Sache kläre, konnte ich immer tiefer in diese Gefühle hineingehen und sie kennen lernen. Ich kam immer mehr darauf, dass dies meine Gefühle waren. Mein Freund war zwar der Auslöser, aber nicht die Ursache. Es gab wirklich Momente, da konnte ich mich erinnern, wie ich diesen Schmerz schon als Kind gefühlt habe. Ich konnte den alten Schmerz fühlen.

Zum Glück musste ich nicht ausagieren und konnte statt dessen diese Gefühle bei mir behalten. Ich wartete und hielt die Gefühle aus, auch wenn es manchmal echt schwer war und die Sache auf der Kippe stand.

Eines Tages rief mein Freund dann an, grüßte mich herzlich und wir plauderten ganz normal. Ich freute mich sehr über seinen Anruf und ließ die Gefühle der Gekränkheit und Verletztheit bei Seite. Alles war wieder gut und die Wut war wie weggeblasen. Für ihn war garnichts Schlimmes passiert und er war immer noch mein Freund. Und für mich – ich hatte viel über mich gelernt, über meine Phantasien des verletzten Kindes in mir und meinen Wahnsinn, der mir einflüstern wollte, ich hätte keinen Freund mehr. Geheilt wurde die alte Wunde obendrein – dadurch, dass ich den alten Schmerz und die unterdrückte Wut gefühlt habe.

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12 Schritte-Programm, Authentizität, Liebe, Sein-Kolumne, Selbst

Zeige dich

innere WahrheitZeige dich mit deiner Wahrheit. Wenn du das machst, lernst du gesehen zu werden. Und wenn du das kannst, lernst du Liebe zu nehmen. Dann lernst du dich selbst zu lieben. Und wenn du das kannst, dann lernst du Liebe zu geben. Dann endet die Bewertung der anderen, die du nur machst, um dich davor zu schützen, gesehen und erkannt zu werden. Dann endet die Leugnung und die Scheinidentität. Dann musst du nicht mehr andere abwerten um dich selbst aufzuwerten. Dann endet dein Minderwert. Wir lieben dich, solange bis du dich selbst lieben kannst. Die umwerfende Erfahrung besteht darin, sich zu zeigen, mit all seinen Abgründen und Blößen, und hinterher eine Umarmung zu bekommen, angelacht und angenommen zu werden. Die andere umwerfende Erfahrung besteht darin, diese Liebe nehmen zu können. Angst und Scham treiben uns in die Isolation, in das Gefängnis des schönen Scheins, wo man unheimlich hipp und cool ist. Aber wir brauchen jemanden, der an uns glaubt, gerade dann wenn wir nicht an uns selbst glauben können. Ehrlichkeit ist das Gegenmittel gegen die Lüge.

Wir haben Angst gesehen zu werden, denn dann kommt die ganze Wahrheit über uns ans Licht. Wir haben Angst verurteilt oder abgelehnt zu werden. Wir sind wie Menschen, die niemanden an sich heranlassen. Wir denken, die anderen wollen uns nicht. Aber die anderen wollen uns Liebe geben. Wir können diese Liebe nicht sehen und nicht nehmen. Indem wir uns zeigen, durchbrechen wir diesen Kreislauf der Leugnung, des Scheins und des Getrennt-Seins. Das ist die mutige Tat. Nicht als Gejammer, aber ehrlich und nüchtern. Versuche, die Wahrheit zu sagen!

Wenn dann die innere Fülle beginnt, der innere Frieden und das Bei-sich-Sein, dann können wir fühlen und lieben. Dann können wir vom Herzen unsere Liebe geben. Die Einsamkeit und Isolation enden. Das alles ist ein langsamer Wachstumsprozess über Jahre. Mach dir nichts vor. Du bist eine Eiche. Je langsamer du wächst, umso stärker wirst du. Dann kommst du an bei dir, in der Welt und bei den Menschen.

(Text für meine monatliche Kolumne in der Zeitschrift SEIN, Berlin Juli 2014)
Dank an das 12-Schritte-Programm, dem ich die meisten dieser Verwirklichungen verdanke.

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Gefühle, Selbst

Was ist Innen?

Innere Fülle

 

In meinem Weg der Philosophie und Spiritualität habe ich irgendwann herausgefunden, dass der Weg nach innen geht. Viele unserer Unternehmungen, um Glück und Zufriedenheit zu erfahren, setzen im Außen an. Wir arbeiten uns von außen nach innen vor.

Zunächst hatte ich eine sehr einfache Unterscheidung: außen ist alles das, was außerhalb meines Körpers ist. Innen: Das bin ich. Aber wer ist dieses Ich?

Jahrelang litt ich unter Rückenschmerzen. Der herkömmliche Weg ist es, von außen etwas mit dem Körper zu machen, um die Rückenschmerzen zu beseitigen, zum Beispiel Massage und Fango, dann Salben oder Medikamente. Dies ist jedoch ein mechanischer Ansatz, der von außen auf meinen Körper einwirken soll. Die nächstbessere Idee ist es natürlich, Sport und Bewegung zu praktizieren, um den Rücken zu stärken und zu entspannen. Es gibt hier viele Methoden, wie z.B. Yoga, Qigong usw.

Ich musste jedoch erkennen, dass auch diese Methoden mir äußerlich sind.

Woher kam dieser Schmerz? Woher kam diese Verspannung? Egal was ich versuchte, die Schmerzen gingen nicht weg. Vielfach verspannte ich mich bei sportlichen Übungen noch mehr. Alle diese Übungen und Methoden praktizierte ich von außen nach innen. Ich versuchte, über mehr oder weniger mechanische Methoden, mein inneres Befinden zu verändern.

Irgendwann begann ich, mich auf den Weg nach innen zu machen. Ich überlegte mir, dass es meine Gedanken sein würden, die meine Verspannungen auslösen. Es zeigte sich jedoch, dass ich mit dieser Hypothese nicht weiterkam. Ich machte mir positive Gedanken, die Rückenschmerzen blieben. Weder der Körper noch die Gedanken gehören zu meinem Inneren. Also versuchte ich es mit Spiritualität, zum Beispiel Meditation. Es gab gewisse Achtungserfolge, d.h. zeitweilige Verbesserungen, aber der Durchbruch lieb aus. Ich musste erkennen, dass auch die Spiritualität nicht Teil meines Inneren ist. Immer war ich zugleich auf der Suche nach diesem Ich. Bin ich dieser Körper? Bin ich ein denkendes Wesen? Bin ich ein spirituelles Wesen? Wer bin ich?

Irgendwann entdeckte ich dann die heiße Spur. Ich bin ein fühlendes Wesen! Nur wenn ich ich bin, kann ich entspannt sein. Nur wenn ich bei mir bin und meinem Selbstgefühl folge, kann ich entspannt sein. Die echte Spiritualität besteht darin, ich selbst zu sein. Dies bedeutet: mit Haut und Haaren. Aber hier sind natürlich nicht die physischen Haare und die physische Haut gemeint, sondern dieses innere Gefühl, das ich für mich selbst habe. Es bedeutet aber auch, dass es hier nicht um mein spirituelles ewiges und ideales Selbst geht im Sinne des göttlichen Selbst, wo ich vollkommen und frei von allem Leid bin. Nein, es geht um meine bedingte, relative Existenz als Mensch. Es geht um den Ort, wo ich jetzt bin, und um die Zeit, wo ich jetzt bin. Es geht erst einmal darum, zu sein. Es geht darum, mich in meiner Wahrheit und Soheit zu erkennen, mit Glück und Leid, mit Freude und Schmerz, mit meinen ganzen Gefühlen, insbesondere auch den so genannten negativen Gefühlen, nämlich Schmerz, Angst und Wut.

Es gibt so viele Theorien und Philosophien und Spekulationen darüber, was Gefühle sind. Ich kann mich keiner dieser Philosophien anschließen. Ich beziehe mich auf keine dieser Philosophien. (1) Für mich sind die Gefühle nicht durch die Gedanken erzeugt. Es gibt natürlich Gefühle, die durch das Denken erzeugt werden, aber dies sind Pseudogefühle. Es gibt für mich auch keine gravierende Unterscheidung zwischen Gefühlen und Emotionen. Diese beiden Begriffe bedeuten für mich das gleiche. Ich unterscheide jedoch in echte und Pseudogefühle beziehungsweise neutraler: in primäre und sekundäre Gefühle.

Die primären Gefühle sind die echten und originären Gefühle. Die sekundären Gefühle sind vermittelte Gefühle.

Je mehr ich auf dem Weg zu meiner eigenen Wahrheit vorankam und zu einem fühlenden Wesen wurde, das einfach nur seine momentane Situation hier und jetzt ehrlich zugibt, umso entspannter wurde ich, d.h. umso weniger Rückenschmerzen hatte ich.

Für mich ist es nun eine innere Entspannung, ein In-mich-Hineinlehnen in mein Leben, auch ein Loslassen manchmal, aber auch Festhalten zum richtigen Zeitpunkt, ein Mitfließen und Mitschwingen mit dem Rhythmus meines Lebens. Es bedeutet, mich ernst zu nehmen, mich zu fühlen, mich selbst zu achten. Und es bedeutet insbesondere, vor mir selbst und vor anderen ehrlich zuzugeben, wie es mir gerade geht, ohne etwas daran manipulieren zu wollen. Es bedeutet, die Leugnungssysteme zu durchbrechen, denn immer, wenn ich mich nicht zeige und nicht ehrlich als der erscheine, der ich bin, gehe ich in eine künstliche Haltung und diese verspannt mich. Vieles von der Verspannung ist die Angst und die Scham, mich zu zeigen. Das macht meinen Körper hart und steif.

Ich habe nun jahrelang keinen Sport gemacht, keine Gymnastik, kein Yoga, kein Schwimmen und nichts dergleichen. Trotzdem habe ich so gut wie keine Rückenschmerzen. Im Vergleich zu früher ist es eine riesige Verbesserung. Ich fühle mich entspannt und wohl, obwohl ich den ganzen Tag am Computer sitze. Wobei ich natürlich nicht perfekt bin. Manchmal gehe ich über den Punkt hinaus, wo es mir noch gut tut. Dann verliere ich den Kontakt zu mir selbst und bezahle dies mit Verspannungen im Rücken. Aber auf diese Art und Weise finde ich immer mehr über mich heraus, wie ich bin und wer ich wirklich bin, was mir gut tut und was meine Bedürfnisse sind.

Ich bin heute der Überzeugung, dass ich umso gesünder bin, je mehr ich in meiner Wahrheit bin. Zu Ende gedacht würde dies bedeuten: Wenn ich der bin, der ich bin, bin ich unsterblich.

 

Fußnote (1):

Eine große Nähe fühle ich jedoch zu folgenden Ansätzen: Dan Casriel, Anne Wilson Schaef, 12-Schritte-Programme, Walter Lechler, Co-Dependency Anonymous, Robert Subby, Janet Woititz, Daniel Stacey Barron und Alice Miller.

Bild ©: Tomasz-Alen Kopera, www.alenkopera.com

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Authentizität, Selbst

Der Hang ist positiv

image015Viele Menschen vertreten die Philosophie, dass Unabhängigkeit das Höchste ist. Demgemäß geht es um Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenständigkeit. Diese Werte oder Tugenden sind sicherlich nicht verkehrt. Jedoch sind sie nicht das Höchste!

Was ist die Natur der Seele? Was ist unsere wesensgemäße Stellung? Viele Menschen vergessen, dass es Gott gibt. Sie kalkulieren ihre Existenz unabhängig von Gott. Ich glaube jedoch, dass wir als Seele oder als Lebewesen immer Gott untergeordnet sind. Wir sind Subjekte. Warum kommt das Wort Subjekt von dem lateinischen »subjectum«, was »unterworfen« bedeutet? Dieses alte Wort trägt eine tiefe Wahrheit in sich. Die wesensgemäße Stellung der Seele ist die Hingabe. Das bedeutet, wir sind immer Gott unterworfen und abhängig von Gott. Die Natur der Seele ist es, abhängig zu sein. Das ist die höchste Wahrheit, und das stellt die Seele am vollkommensten zufrieden.

Die Abtrennung von Gott führt dazu, dass wir Abhängigkeit oder den Hang negativ bewerten müssen. Wir wollen nicht abhängig sein und wir stellen unsere Berechnungen ohne Gott an. Und deshalb konstruieren wir eine Philosophie, in der es negativ ist, von etwas abzuhängen. Jedoch braucht jeder von uns etwas, an das er sich halten kann. Da wird dies leugnen, können wir nicht verstehen, warum wir leiden.

Warum finden wir es so schlimm, an etwas zu hängen? Dieser Ausdruck weist uns schon in eine gute Richtung. Es ist ein Ausdruck der Wertschätzung und Zuneigung. Wir gebrauchen diese Redewendung gerne für Objekte, zu denen wir einen positiven emotionalen Bezug haben: „Ich hänge an dem Schaukelstuhl, den mir meine Oma vermacht hat.“ Aber es fällt uns schon schwer, zu sagen, dass wir an einer Person hängen. Hier schwingt schon etwas von Abhängigkeit mit, von Kontrollverlust.

Und das ist eben auch das hinter der Unabhängigkeitsphilosophie liegende Motiv: der Wunsch nach Kontrolle. Wegen diesem niederen Motiv zerstören wir die Wahrheit, leugnen unsere Position in der Ordnung der Dinge und gehen in die Irre.

Um wie vieles leichter wäre es, unsere immer und unter allen Umständen gegebene Abhängigkeit anzunehmen?

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Authentizität, Selbst

Die reine Freude

Wer meinen letzten Blog über die Reise ins Gefühl gelesen hat, weiß, dass ich nicht versuche, dem Schmerz auszuweichen. Mein Ansatz besteht darin, jedes Gefühl zu fühlen und ihm auf den Grund zu gehen. Es geht nicht darum, sich gut zu fühlen, sondern darum, zu fühlen.

In letzter Zeit bin ich meinem Schmerz, meiner Trauer und meiner Scham auf den Grund gegangen. Das war schmerzhaft, traurig und beschämend. Aber ich ging da durch.

Gestern durfte ich erleben, was das an Heilung ermöglicht.

Ich war auf einem Kirtan-Abend. Kirtan bedeutet, spirituelle Lieder gemeinsam zu singen und dazu zu tanzen. Das war die reine Freude.

Aber das Besondere war: Ich fühlte diese Freude, sie war rein und klar, und sie hatte einen festen Grund. Ich konnte richtig fühlen, wie diese Freude auf festem Grund aufsetzt, wo nichts mehr darunter war. Sie war keine Fassade. Darunter war kein Schmerz, keine Scham, keine Angst, kein Eiter, kein schwankender Grund, kein Matsch, kein schmieriger Glibber. Es war ein einfacher, fester Grund, und da war nichts außer Freude. Das war ein wunderschönes, sicheres Gefühl. Es gab mir Vertrauen und Gewissheit. Ich fühlte mich meiner selbst gewiss. Ich konnte diese Freude unvermischt und klar fühlen, ohne dieses vage Gefühl von Unsicherheit oder Beklemmung, das da ist, wenn die Freude aufgesetzt oder manipuliert ist. Wir kriegen das meist nicht bewusst mit, wenn wir die Freude herbei manipulieren, weil wir diese fixe Idee haben, dass wir uns immer gut fühlen müssen. Aber irgendwie fühlen wir dann doch, da stimmt was nicht. Es ist dann eine mit Schmerz, Trauer, Angst, Scham oder Wut vermischte Freude.

Die Arbeit mit meinen Gefühlen des Schmerzes, der Trauer, der Angst, der Wut und der Scham hat dazu geführt, dass diese Abgründe bereinigt sind. Es ist wie das Ausschaben einer eiternden Wunde, die gereinigt und desinfiziert wird und dann erst heilen kann. Dann erst kann der Schmerz abklingen und die Not wird gelindert. Wenn es dann heilt, bildet sich ein fester Grund. Dieser feste Grund bin ich. Das ist mein inneres Selbst, auf dem die reine Freude dann aufsetzen kann und sich entfalten kann. Dann fühle ich Sicherheit, Geborgenheit und mich selbst.

Die Freude hatte auch im kausalen Sinn einen Grund, weil in der Situation, im gemeinsamen Singen und Tanzen zu schöner Musik, da war die Freude auch begründet. Genauso wie zu anderen Zeiten der Schmerz begründet ist. Diese Gefühle manifestieren sich gemäß der Wirklichkeit, in der ich mich befinde, gemäß dem, was gerade passiert. Sie sind die Sprache, die mich mit der Wirklichkeit verbindet. Es war ein schöner Abend mit wunderbaren, lieben Menschen um mich herum. Wir lachten uns an und feierten. Es war so schön, diese Freude so rein und direkt zu erfahren, zu fühlen. Diese echten Gefühle sind keine Gefühle, dich ich mir mache. Sie sind entsprechend der jeweiligen Situation. Der Abend war ein Grund der Freude. Und zu anderen Zeiten hat man vielleicht einen Grund zu trauern. Dann ist eben Trauer angesagt. Diese Gefühle kommen und gehen. Es ist so schön, diese echten Gefühle fühlen zu können. Ich glaube, es ist deshalb so schön, weil ich dann echt bin. Dann bin ich ich.

Und mir ist klar, diese Freude konnte ich nur fühlen, weil ich zuvor meinen Schmerz gefühlt hatte. Es war eine Freude ohne etwas darunter, ohne Dreck unterm Teppich, ohne verheimlichte, geleugnete Gefühle darunter.

So lerne und verstehe ich zunehmend, dass es die Gefühle sind, die mich in die Genesung führen. Sie führen mich zu mir, und das ist das spirituelle Erwachen. Aufwachen bedeutet „zu sich kommen“. Und das ist so konkret zu verstehen, wie nur irgend möglich: Ich komme zu mir.

Dabei ist es egal, ob das, was ich da fühle, „gut“ oder „schlecht“ ist. Es geht nicht darum, sich gut zu fühlen. Es geht darum, zu fühlen.

Anmerkung:
Der Abend war ein Konzert der Kirtaniyas (www.kirtaniyas.com), eine junge, aufstrebende Kirtan-Band, und fand am 14.01.2012 im Yoga-Zentrum „Lernen in Bewegung e.V.“ in Berlin statt.
Organisiert wurde er von der brillanten und liebenswürdigen Alexandra von Joyfulevents 🙂

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