Selbst

Vom Umgang mit innerer Leere

Geborgen in sich selbstInnere Leere ist ein unangenehmer Zustand. Es ist ein diffuses Gefühl des Leids, der Qual. Etwas, dass man am liebsten nicht haben möchte. Wir haben die Tendenz, in dieses Loch im Innern etwas hineinzustopfen, um es nicht mehr spüren zu müssen. Wir werfen Drogenmüll, Sexmüll, Kaufmüll, süchtiges Arbeiten, Fernsehmüll, kranke Beziehungen und anderes hinein, um das Loch von außen zu füllen.
Das führt zur Sucht und zur Krankheit.
Es geht darum, die Leere auszuhalten. Die Leere setzt sich aus Gefühlen zusammen, vor allem Schmerz und Angst. Wenn wir die Leere aushalten und annehmen, kann sie sich von innen unten füllen. Dann beginnt von innen unten etwas aufzusteigen, das wir selbst sind.
Schmerz und Angst sind wie kleine Kinder, die wir abgespalten haben. Stell dir vor, ein kleine Kind hängt an deinem Rockzipfel und zerrt an dir herum: „Papa, Papa, ich will dir was sagen.“ Aber du machst dich nur weg, mit Hektik, Vergnügungen, Stress, Drogen, Alkohol, Besessenheiten, Ablenkungen. Du willst das Kind nicht sehen und hören. Aber das Kind schreit immer lauter und zerrt immer mehr an dir.
Es geht darum, sich dem Kind zuzuwenden, es anzunehmen und zu hören, was es dir zu sagen hat. Es will dir den Schmerz zeigen und in dem Moment, wo du das Kind liebevoll auf den Arm nimmst und zuhörst und es anschaust, kannst du den Schmerz mitfühlen. Fühle den Schmerz, weine mit dem Kind. Es ist Dein inneres Kind. Das bist du. Du hast Teile von dir abgespalten, die dir nun fehlen und die einen Schmerz bedeuten. Durch Annahme integrierst du diese fehlenden Teile, du integrierst dich selbst. Du wirst wieder ganz.
Jeder Schmerz, der einmal gefühlt wurde, kommt nicht wieder. Er ist geheilt. So gehen wir Schritt für Schritt voran. In kleinen Häppchen kommt der abgespaltene Schmerz hoch, wir wenden uns diesem verlassenen und vernachlässigten Kind zu, nehmen es in den Arm und fühlen mit ihm. So wachsen wir jedesmal, wenn wir die Leere, den Schmerz, die Angst aushalten und nicht wegmachen. Danach kommt ein innerer Friede, eine Gelassenheit, ein stilles, einfaches inneres Glück.
Den Schmerz wahrzunehmen bedeutet aufzuwachen, wach zu sein. Den Schmerz wegzudrücken bedeutet betäubt und ohnmächtig zu sein.
Die innere Leere füllt sich, mit uns. Die innere Wertlosigkeit verschwindet, wir finden unseren Eigenwert und unsere Eigenliebe. Die abgespaltenen Anteile von uns selbst werden wieder ein Teil von uns, wenn wir sie nicht ablehnen und abwehren. Solange wir sie ablehnen, lehnen wir uns selbst ab. Daraus entstehen diese Eigenwertlosigkeit und der Selbsthass.
In der Annahme des Schmerzes liegt die Annahme von uns selbst. Hier ist das spirituelle Erwachen. Wir werden zu starken, freien und unabhängigen Menschen. Wir fühlen uns mit uns selbst wohl. Wir können uns selbst Geborgenheit und Freude geben. Wir lernen, was uns gut tut und wie wir es bekommen. Wir lernen zu unterscheiden und zu entscheiden. Wir lernen anzunehmen und uns abzugrenzen. Wir sind bei uns.

05.08.2012: Liebe Leute, es gibt ein neu erschienenes Buch von mir, wo Ihr ganz viel darüber lesen könnt, wie man die Innere Leere von innen füllen kann, was die Psyche ist, wo man Hilfe bekommt, wie man mit den Gefühlen von Schmerz, Angst und Wut umgeht, und wie man gesund werden kann. Auf meiner neuen Seite könnt Ihr Euch informieren: http://www.burnout-und-sucht.de.

Ich empfehle Euch hier im Blog auch das: http://ronaldengert.com/2011/12/09/eine-reise-in-das-gefuhl

 

Standard
Philosophie, Selbst

Fühlen und Denken

Verbundenheit

Verbundenheit

Heute hörte ich von einem Sonderheft „Psychologie heute“ über Depression. Die Person, die mir davon erzählte, gab folgende Aussage aus dem Heft wider:

„Gedanken sind nicht die Wahrheit. Gefühle sind nicht die Realität. Gefühle werden durch die Gedanken erzeugt.“

Das habe so in einem der Artikel gestanden und komme aus dem Buddhismus. Ich habe das Zitat nicht nachgeprüft. Darum geht es auch nicht. Die o.g. Aussage ist ziemlich eindeutig und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Dass dies die generelle Haltung des Buddhismus ist, kombiniert mit westlicher Psychologie, ist auch keine Neuigkeit.

Das macht sie aber deswegen nicht wahr.

Ich möchte hier ganz thesenhaft und roh meine durch Innenschau, Wahrnehmung und philosophische Forschung gefundenen Erkenntnisse dazu wiedergeben.

+ Die Gefühle sind die Realität.
Es gibt tatsächlich keine andere Realität im Sinne einer echten essentiellen Bedeutsamkeit für uns Menschen. Die objektive Faktizität eines rohen materiellen Bestandes der Außenwelt wurde schon seit Anfang des 20. Jhs. dekonstruiert und es wurde gezeigt, dass ein naiver Objektivismus nicht existiert. Unsere Wahrnehmung von der Außenwelt ist also immer durch unsere Subjektivität gefärbt. Die philosophischen Moden überstürzten sich in der Annahme, dass es gar keine Realität gäbe, oder dass sie zumindest nicht objektivierbar, also nicht für mehrere Subjekte gleich wahrnehmbar sei.
Bei all diesen philosophischen Schulen wird jedoch die Architektur des menschlichen Wesens nicht vollständig in Betracht gezogen. Der Mensch ist primär ein fühlendes Wesen. Der Sinn des menschlichen Lebens, wie allen Lebens, ist es, bestimmte Gefühle zu erfahren, nämlich Freude und Liebe, sowie deren Derivate wie etwa Geborgenheit, Frieden, Zugehörigkeit, Schutz usw.
Weder materielle Gegenstände noch Gedanken können den Menschen zufriedenstellen. Die Realität des Menschen ist seine Existenz, sein Leben, und das ist geprägt durch die o.g. Gefühle und Bedürfnisse.

+ Die Gefühle sind die primäre Realität des Menschen, nicht die Gedanken.
+ Echte Gefühle entstehen nicht aus den Gedanken.
+ Es gibt zwei Sorten von Gefühlen, die primären und die sekundären.

Die primären Gefühle sind die unmittelbaren Wahrnehmungsreaktionen auf die Umwelt und geben uns Rückmeldung über unsere momentane Situation. Die sekundären Gefühle sind durch Gedanken ausgelöst.
Wenn ich z.B. bei Glatteis im Auto eine abschüssige Straße hinunterfahre, an deren Ende eine Kurve kommt, habe ich Angst. Das ist eine natürlich und vernünftige Reaktion auf die Außenwelt. Es IST gefährlich, so eine Straße bei Eis hinunterzufahren.
Wenn mir nun jemand erklären will, dass ich nur Angst habe, weil ich denke, es sei gefährlich, dann hat diese Person einen Teil der Kausalitätskette herausisoliert und den begründeten Anfang ignoriert. Natürlich denke ich auch, dass die Straße gefährlich ist. Schließlich habe ich einen Führerschein und habe Erfahrung im Autofahren. Dennoch kommt der Gedanke zeitlich nach dem Gefühl der Angst.
Natürlich kann ich durch den Gedanken, dass vor mir eine Schlange liegt, Angst auslösen. Tatsächlich handelt es sich vielleicht um ein Seil, das in der Dunkelheit wie eine Schlange aussieht (das berühmte Beispiel, dass im Advaita-Vedanta dazu benutzt wird, die Illusion der Welt zu beweisen – welch eine törichte Argumentation). Diese Angst ist eine sekundäre Angst, weil sie durch die Gedanken ausgelöst wurde – sie ist ein sekundäres Gefühl.
Gleichwohl gibt es gefährliche Schlangen, die Angst ist also nicht ganz unbegründet. Wenn jemand einmal von einem Hund gebissen wurde, dann hat er danach mehr Angst vor Hunden als vor diesem Vorfall. Das ist eine Angst, die auf einer realen emotionalen Erfahrung beruht, dem Schrecken und der Angst, die aus dem Hundebiss resultiert. Wenn ich als Kind von einem Erwachsenen sexuell missbraucht wurde, dann löst eine Situation in der Gegenwart, die mich an diese Situation in der Vergangenheit erinnert, wieder Angst aus. Nun vom Denken her versuchen zu wollen, diese Angst als Illusion hinzustellen und dadurch zu entkräften, ist sinnlos. Das Beste, was man dadurch erreichen kann, ist in die Transzendenz zu flüchten, dann ist man aber nicht mehr hier und jetzt und die nächste ähnliche Situation wird wieder die Angst auslösen. Die Angst wird nur verdrängt aber nicht geheilt. Man muss sich dann aus allen betreffenden Situationen fernhalten, weshalb auch alle Transzendenzreligionen zur Weltflucht neigen. Sie kompensieren ihre verdrängten Gefühle durch negative Werturteile und Philosophien über die Welt.
Die primären Gefühle sind die primären, menschlich relevanten Rückmeldungen zur Außenwelt.

+ Echtes Denken ist Nach-Denken.
D.h. das Denken kommt nach dem Fühlen und Erfahren. Echtes Denken dient dazu, Muster in der Außenwelt bzw. in den emotionalen Rückmeldungen zu erkennen, die mir eine Prognose über zukünftige Folgen ähnlicher Situationen ermöglichen. Logik ist das Wissen von dem, was man aus Erfahrung erwartet. In diesem Sinne ist auch alles Denken auf die Vergangenheit und die Zukunft gerichtet, es kann in der Zeit reisen und zwar schneller als das Licht. Echte Gefühle dagegen sind ausschließlich im Jetzt, in der Gegenwart. Dafür haben sie Lebensenergie, was das Denken nicht hat.
Cleanes Denken ist Nach-Denken. Zuerst passiert etwas oder wir erleben und tun etwas. Danach versuchen wir mit dem Denken, das Muster darin zu erkennen. Denken ist Empfangen.
Wir missbrauchen das Denken, indem wir damit bestimmen wollen. Anstatt die Wirklichkeit zu erkennen, wollen wir sie bestimmen. Das Denken wird von der Wirklichkeit abgekoppelt, rotiert in sich selbst und gebiert künstliche Welten, autologische Gebilde, die nicht aus der Wirklichkeit abgeleitet sind, sondern auf dem Kick der logischen Geschlossenheit beruhen – ein Scheinfriede, eine Scheinantwort, eine Welt der Illusion, getrennt von der Wirklichkeit, von mir und von Gott, und von den Menschen. Das ist mentale Masturbation.
Die Bestimmung kommt nicht vom Denken, sondern von unserem Spirit.

+ Denken kann Gefühle erzeugen.
Dies sind die sekundären, mental induzierten Gefühle. Man kann sie auch Pseudo-Gefühle nennen. Solches Denken ist kein Nach-Denken, sondern Vor-Stellen.

Das primäre Gefühl: –> Das sekundäre Gefühl:
Angst –> Panik
Wut –> Groll
Schmerz –> Leid
Freude –> Vergnügen
Liebe –> Hörigkeit, Besessenheit

Panik ist eine Angst ohne reale Grundlage. Sie ist grenzenlos und bodenlos, sie hat keinen Grund, sie ist dysfunktional und gibt keine Rückmeldung über die Außenwelt. Zum Beispiel produziert der Gedanke, ich habe etwas falsch gemacht, Panik.
Groll resultiert aus den Gedanken, die die Wut unterdrücken. Groll hält sich an der Vergangenheit fest und wiederholt bestimmte Situationen wieder und wieder im Geist.
Leid ist der diffuse, unbestimmbare und unverstehbare Schmerz, die Depression, die totale Frustration.
Vergnügen ist der mental oder materiell induzierte Kick, die Droge, die man einfährt, um sich wegzumachen. Vergnügen wird aus den Gedanken geboren. Zum Beispiel: »Ich bin der Schöpfer meiner Welt. Ich bin Gott.« Dann geht es mir gut und ich genieße das Leben. Tatsächlich ist es eine riesige Illusion und es ist eine Frage der Zeit, wann die Seifenblase platzt.
Hörigkeit und Besessenheit sind die exzessive Anhaftung an ein Objekt, einen Ort, eine Handlung oder einen Menschen. Das sind die manifesten Suchtprozesse. Es ist die völlige emotionale, kognitive und spirituelle Abschottung von der Außenwelt. Die Außenwelt wird nicht mehr gefühlt, sondern nur noch ausgebeutet und missbraucht.

+ Spiritualität ist nicht Fühlen.
Die spirituelle Ebene und die emotionale Ebene sind zwei eigenständige, voneinander verschiedene Qualitäten. Die emotionale Ebene wurde bisher in den spirituellen Traditionen weitestgehend vernachlässigt. Meistens wurde sie dem Denken zugeschlagen und in der Regel als minderwertiges Anhängsel derselben abgetan. Tatsächlich haben wir mit der emotionalen Sphäre eine vierte Dimension neben Körper, Geist und Seele.
Die spirituelle Dimension betrifft den Anteil unseres Wesen, der jenseits von Raum und Zeit existiert, die Stille, das Göttliche, das Nichts, das Paradies, die ewige spirituelle Seele. Dieser Raum der Transzendenz hat mit der diesseitigen Welt nichts zu tun. Wir können als spirituelle Wesen in diesen Raum gehen, dann lassen wir aber unsere menschliche Form und Inhalt zurück. Dann sind wir keine Menschen mehr. Sobald wir aber in die menschliche Sphäre zurückkommen, gelten auch wieder die entsprechenden Bedingungen. Das bedeutet, es ist unmöglich, emotionale Wunden durch den spirituellen Teil unserer Person zu heilen. Wir können entweder die menschliche Form für immer aufgeben, dann gehen wir in die Transzendenz ein, oder wir heilen die emotionalen Wunden und erfüllen unsere emotionalen Bedürfnisse in der menschlichen Form.

+ Emotionen sind auch die Essenz der spirituellen Sphäre.
In dem Bestand der Weltreligionen lässt sich beobachten, dass die theistischen Religionen von Liebe zu Gott geprägt sind. Während Buddhismus und Advaita aufgrund ihrer These, dass die ganze Welt und im Buddhismus sogar das Selbst Illusion sind, jegliche Gedanken und Gefühle ebenfalls als Illusion deklarieren, finden wir in den theistischen Religion (Christentum, Judentum, Islam, Krishna-bhakti) Gefühle im Zentrum der religiösen Erfahrung. Die Liebe zu Gott, die Freude am Dienen, das Vertrauen und die Geborgenheit in Gott sind zentrale Motive und erfüllen den Praktiker. Der Sinn des Lebens besteht in der Erfahrung dieser Gefühle, und in diesen spirituellen Traditionen besteht sogar der Sinn der Spiritualität in der Erfahrung dieser Gefühle.
Die ausführlichste Beschreibung dieser Gefühle findet sich im theistischen Vedanta, der Tradition der Krishna-Bhakti. Bhakti heißt Liebe. In der Bhakti-Tradition werden diese Gefühle »rasa« und »bhava« genannt. Rasas sind die verschiedenen emotionalen Stimmungen in Bezug zu Gott wie Neutralität, Zorn, Geschwisterlichkeit, Erotik, um nur einige Beispiele zu nennen. Bhavas sind die verschiedenen Intensitätsstufen der direkten Gefühle der Gottesliebe.
Während der Advaita-Vedanta und der Buddhismus eine kognitive, mentale Erleuchtung zur Verfügung stellen (jnana), bieten die theistischen Traditionen zuerst eine emotional ausgerichtete Erleuchtung an (bhakti). Beides hängt in der menschlichen Form zusammen. So führt Bhakti zu Jnana und Jnana zu Bhakti. Es muss jedoch die Priorität der Bhakti festgestellt werden, da sie direkt an der emotionalen Sphäre ansetzt.
Alle diese spirituellen Dispositionen sind für den Menschen relevant, was bedeutet, dass die menschliche Disposition systemisch über den spirituellen Dispositionen steht und diese bestimmt. Deshalb ist die Priorität der Emotionen auch für die spirituelle Sphäre gegeben.

+ Das Leben selbst ist das Spirituelle.
Es gibt keine andere Realität als das Leben. Es gibt Szenarios und Geschichten über eine andere Welt, aber diese sind nicht die Realität. Die Realität ist das, was ist; das Gegebene. Das Sein ist. Im Sein ist das Leben.
Das Leben ist ein spirituelles Phänomen. Das Leben in seiner gesunden Form und im richtigen geistigen Verständnis IST das Spirituelle. (1)
Und deshalb sind die Emotionen auf der GANZEN Linie primär. Sowohl in der menschlichen Lebensform als auch in der ewigen spirituellen Transzendenz im Reich Gottes, im Paradies, in Goloka Vrindavan, wo wir in einer ewigen Liebesbeziehung mit Gott leben. Dieser absolute Ort ist aber nicht zeitlich oder räumlich verschieden von dem Ort, wo wir jetzt gerade sind. Er ist hier und jetzt. Wir merken es nur nicht.

+ In der Heilung der Gefühle/Emotionen wird die Erleuchtung erreicht.
Tatsächlich sind es die verdrängten Primärgefühle, die uns von der Erleuchtung abhalten. Die Verdrängung erfolgt durch die da-vor-gestellten Gedanken, die in vielfältigsten Philosophien und Glaubenssysteme ihre Ausformung finden. Die Rationalisierungen, Verharmlosungen und Leugnungen des Mentalkörpers sind die Medikamentierungen des emotionalen Schmerzes, der Angst und der Wut. Sie sind auch die artifiziellen Stimuli der erwünschten Emotionen der Freude und Liebe. Deshalb liegen der Buddhismus und der Advaita hier als mentale Erleuchtungssysteme richtig. Sie dekonstruieren die Gedanken. In der Tat: Die Gedanken sind nicht die Wahrheit, wie ganz oben in der Ausgangsaussage konstatiert.
Mit geheilten Gefühlen kann man die Gefühle wieder spüren und ausdrücken. Daraus entsteht Berührung und Verbundenheit, mit sich, mit anderen und mit Gott. Dann kann man auch die Gefühle zu Gott in ihrer reinen, nicht missbrauchten Form erfahren. Aus dieser Freude und Liebe entsteht Sein. Und aus diesem Sein entsteht Wissen. Das ist die richtige Reihenfolge. (2)

+ Die primäre Richtung der Liebe ist das Nehmen der Liebe.
Wir nehmen die Liebe von Gott, denn er ist der Ursprung der Liebe. Wenn wir Liebe von jemandem nehmen, fühlt dieser die Liebe. Wir geben nicht direkt Liebe, sondern indirekt, indem wir Liebe nehmen. Wir sind nicht der Ursprung der Liebe, sondern die Quelle der Liebe. Der Ursprung ist eins, die Quelle ist zwei. (siehe dazu den Blog vom 16.01.2010)

Ronald Engert, 1.2.2010

Fußnoten:

1 Man kann das Leben als Mensch oder in der materiellen Welt als materiell einstufen, aber das ist nur eine geistige Haltung. Die geistige Haltung erzeugt das Materielle. Das sind die Ausbeutungs- und Missbrauchskonstrukte des besessenen Denkens, das mittels Ausbeutung und Missbrauch seine Pseudogefühle am Leben befriedigt.

2 In der vedischen Terminologie stellt sich der Sachverhalt folgendermaßen dar:
Freude (ananda) und Liebe (bhava) ist die theistische Gotteserfahrung (bhagavan). Gott als DU.
Sein (sat) ist die Erfahrung der eigenen Göttlichkeit (paramatma). Gott als ICH.
Wissen (cit) ist die Erfahrung der Göttlichkeit und Vollkommenheit von allem (brahman). Gott als ES.
Dies ist die vollständige Gotteserfahrung in ihrer Dreiheit (Dreifaltigkeit, Trinität), wie sie in den vedischen Schriften niedergelegt ist und heute von Ken Wilber und Daniel Barron rekonstruiert wird, ohne dass sie die entsprechenden vedischen Quellen kennen. Dazu werde ich zu gegebener Zeit einen eigenen Artikel verfassen.

Standard
Selbst, Spirituelle Kultur

Annahme und bei mir ankommen


Kurzbeschreibung:
In der Annahme der ungeliebten Gefühle wie Schmerz, Angst und Wut kommen wir in den Heilungsprozess. Die Vermeidung von Schmerz durch äußere Mittel ist nur zeitweilig und erzeugt weitere Konflikte. Die Lösung liegt im Innen, in unserem emotionalen und spirituellen Selbst. In der Annahme des Schmerzes erkennen wir, dass er ein Teil unseres Selbst ist. In der Ablehnung des Schmerzes verursachen wir Abspaltungen von Teilen unseres Selbst.

.
.

»Die Seele ruht in sich, alles ist gut, es gibt nichts zu tun.«

Diese Erfahrung hatte ich mal in einer Meditation.

In der Bhagavad-gita steht: »Die Seele tut nichts und wird auch nicht verstrickt.«
Mit dem Tun ist das Tun im Außen gemeint.

Meine Meditationserfahrung hatte ich in einer konkreten meditativen Übung, die darin bestand, auf dem Sofa zu liegen und mich nicht zu bewegen, egal, was mich dazu verleiten könnten, ein Zwicken, Jucken, Wimpernschlag o.ä.

Nach etwa 30 Minuten der völligen Bewegungslosigkeit kam ich in diesen Zustand. Ich ruhte in mir. Es war wunderschön und es hätte ewig so weitergehen können. Es gab nichts mehr im Außen, was ich hätte haben wollen, keine Bewegung, keinen Stoff, kein Geld, kein Kaufen, keinen Ruhm oder Ehre, niemanden, der mir die Füße küsst oder mich schlägt, keinen Sex oder Zuwendung. Alles war gut. Es gab nichts zu tun. Es war nichts zu tun. Einfach sein.

Wir haben so ein Zentrum in uns, einen Ort, eine Kraft. DAS sind wir selbst. Und dieses Selbst ist der Ursprung des unbedingten und zeitlosen Glücks. Ja, ich kann es kaum glauben. Da ist was in mir, dass einfach glücklich und erfüllt ist. Manche nennen es auch Liebe, denn es ist eine Art Liebe. Aber es ist auch Frieden, Einfach Sein, Fülle, Glück, Stille. Tatsächlich, das gibt es. Und man kann es auch außerhalb der Medition erleben. Sehr wahrscheinlich sogar dauerhaft in jeder Faser des Lebens.

Wie komme ich da hin?

Meine Erfahrung:
Indem ich den Schmerz aushalte, vor allem den seelischen Schmerz. Ich habe Schmerz, natürlich. Irgendwo und irgendwann wurde ich verletzt. Als kleines Kind schon, vielleicht schon Jahre vor meiner Geburt, wenn sich Schicksalsschläge bei meinen Eltern in ihren Gefühlen festsetzten und ihr Leben, ihre Einstellung und Herangehensweise prägten. Dieser Schmerz gehört zu mir, er ist ein Teil von mir. Indem ich ihn annehme, d.h. zulasse und umarme, kann ich diesen Teil von mir annehmen, also mich selbst annehmen. Dann geschieht eine Bewältigung dieser Schmerzen, ein Verarbeiten, das im Innern stattfindet. Und das macht mich ganz.

Wir versuchen aber immer, den Schmerz zu beseitigen, indem wir im Außen eine Befriedigung suchen. Zum Beispiel haben wir die Erfahrung gemacht: Immer dann, wenn ich Alkohol trinke, geht der Schmerz weg und ich fühle mich besser. Toll. Aber wenn die Wirkung des Alkohols nachlässt, ist der Schmerz wieder da. Zusammen mit den Gefühlen von Scham und Schuld, weil ich mir mit dem Alkohol noch zusätzlichen Schmerz zugefügt habe. Denn die Seele weiß, dass ich mir da körperlich Schaden zufüge, dass ich mich emotional betrüge, indem ich meine Gefühle durch die psychoaktive Substanz verändere, dass ich mich spirituell schädige, weil ich einen Teil von mir, meinen Schmerz, abspalte. Und ich verarsche mich, was meine Handlungsfähigkeit betrifft, weil ich den falschen Bewältigungsmechanismus verwende, der das Problem nicht löst, sondern verdrängt, verleugnet, verschiebt.

Der Alkohol, bzw. die Sucht im allgemeinen (seien es Alkohol, Drogen, Sex, Essen, Fernsehen, Lesen, Kaufen, Arbeiten, zu schnell fahren, Sprüche klopfen oder, oder, oder) ist zunächst ein Bewältigungsmechanismus für den Konflikt erster Ordnung. „Wenn ich das tue, geht es mir besser. Ich spüre den Schmerz nicht mehr so stark.“ Da der Alkohol/die Sucht jedoch eigene Probleme sozialer, körperlicher und psychischer Art mit sich bringt, wird er/sie zu einen weiteren Konflikt, dem Konflikt zweiter Ordnung. Beide Konflikte interferieren und potenzieren sich. Dadurch wird die Lage nur noch verzwickter.

Die Lösung im Außen ist keine Lösung. Es ist nicht möglich. Die Lösung liegt im Innen. In diesem inneren Kern, der emotional und spirituell ist. Natürlich können wir dann wieder im Außen agieren und gesellschaftlich erfolgreich sein. Unser größtes Bedürfnis ist jedoch, an diesen inneren Ort zu kommen.

Indem ich den Schmerz annehme und aushalte, wachse ich. Ich lehne mich selbst ab, indem ich den Schmerz ablehne. Indem ich den Schmerz annehme, werde ich integrierter und ganzer. Ich komme zu der Lösung im Innen.
Die Schmerzen vergehen auch wieder. Früher war in mir nur Panik, wenn ich Schmerzen hatte. Ich wollte sie so schnell wie möglich wieder loswerden. Und ich lebte in dem Gedanken: „Schmerz ist schlecht, das darf nicht sein. Schmerz ist Schwäche, Schmerz ist Versagen. Mir muss es immer gut gehen. Wenn ich nicht gut drauf bin, bin ich ein Versager. Wenn ich gut drauf bin, bin ich ein Gewinner.“ Diese Gedanken und mentalen Einstellungen erzeugten Panik in mir, wenn Schmerz auftauchte.
Heute ist da noch eine Stimme in meinem Kopf, die sagt: „Auch wenn es mir jetzt beschissen geht – es geht vorbei. Dieser Schmerz ist heute. Aber morgen ist ein anderer Tag und es wird ein anderes Gefühl geben. Es wird Heilung und Wachstum geben. Dieser Schmerz bin ich.“ Denn das ist meine neue Erfahrung: Indem ich den Schmerz annehme und hindurchgehe, komme ich daraus gestärkt und geheilt hervor. Ich fühle mich danach mehr bei mir, integrierter, mehr in meiner Kraft.

Ich denke, viele Abspaltungen von uns selbst beruhen auf diesen abgelehnten Gefühlen von Schmerz, sowie von Angst und Wut. Unsere Abspaltungen durch Außenmittel zu kitten, verschlimmert die Wunde. (Wobei zu diesen Außenmitteln sogar schon die Gedanken zählen können!) Indem wir aber furchtlos unsere ungeliebten Kinder annehmen (die abgelehnten Gefühle) und ihre Kostbarkeit erkennen, können wir wieder ganz werden und heilen. Wir erkennen, dass wir berechtigt sind, diese Gefühle zu haben. Sie sagen uns, was wir brauchen, was uns gut tut und was uns nicht gut tut. Indem wir diese Gefühle annehmen, kommen wir automatisch an diesen inneren Kern unserer Liebe und unseres unbedingten, ewigen Glücks (Frieden, Da-Sein).
Der Schmerz ist mein Reichtum. Das habe ich erfahren, als ich mich meinem Schmerz stellte und ihn annahm. Ich lag weinend und gekrümmt auf dem Boden, schwach und geschlagen. Aber ich erstand wieder auf, ohne dass dies ein Akt des Willens war. Etwas wurde ganz und ein Frieden kehrte ein, den ich vorher nicht kannte. ES heilte. Dies vollzieht sich in Schritten, denn der Schmerz ist meist zu groß, um auf einmal bewältigt werden zu können. So wachsen wir von mal zu mal mehr und werden zu dem, der wir wirklich sind. Wir kommen zu uns. Zu-sich-Kommen heißt: bei sich ankommen; aber auch: aus der Ohnmacht erwachen. DAS ist das spirituelle Erwachen.

Viele religiöse und spirituelle Traditionen haben die Emotionen verteufelt oder unbeachtet gelassen. Sie gelten oftmals nicht viel oder werden als Quelle des Leids verstanden. Die angebotene Lösung ist, diese Gefühle loszuwerden. Wie oben gezeigt, ist dies die falsche Lösung.

Gleichwohl ist die Lösung spirituell. Diese Lösung im Innen hat viel mit Gott zu tun, wie ihn jeder für sich versteht.

Standard
Selbst

Willkommen!

Guten Tag,

das ist mein erster Blog. Willkommen in der Welt der grenzenlosen Information.

Ich bin der Chefredakteur und Herausgeber der Zeitschrift Tattva Viveka. Forum für Wissenschaft, Philosophie und spirituelle Kultur. Ich studierte Germanistik und Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt/Main. Es folgte eine Ausbildung zum Verleger im linken Verlag Neue Kritik in Frankfurt/Main. Seit 1994 publiziere ich die Tattva Viveka. Dieses Jahr war also das 15jährige Jubiläum. Die Zeitschrift findet Ihr unter www.tattva.de.

Meine Interessen liegen vor allem im Bereich der Geisteswissenschaften und der Spiritualität, nicht ohne die Zusammenhänge zu Politik und Gesellschaft aus den Augen verlieren zu wollen. Was ist der Sinn des Lebens? könnte ich – etwas pathetisch – mein Interesse formulieren. Ich möchte glücklich sein und Wissen erlangen. Wenn mein Leben nützlich ist und ich Möglichkeiten finde, wirksam zu sein, betrachte ich mein Leben als Erfolg.

Der weitaus größte Anteil an Leiden machen wir uns selbst. Dies aber weise zu unterscheiden von dem objektiven Leid, dass durch die sozialen und politischen Verhältnisse bzw. durch entsprechende Personen verursacht wird, halte ich für wichtig.

Subjektives und objektives Leid existieren. Subjektives Leid können wir ändern, indem wir uns ändern. Objektives Leid können wir ändern, indem wir die Welt ändern.

Wenn unsere Erwartungen an die Welt Leid verursachen, können wir unsere Erwartungen ändern, oder wir können die Welt ändern. Meine Schätzung derzeit ist, dass 95% des Leids aus falschen Erwartungen kommt. Die Welt ist wie sie ist. Das Leben zu seinen Bedingungen annehmen, führt zu einen realistischen Sinn für das Leben und erspart uns vieles an Leiden.

Wie ist die Welt? Sind die bestehenden Verhältnisse zu verbessern? Oder haben wir schon die beste aller möglichen Welten, wie der Philosoph Leibniz im 17. Jh. schon nach tiefer metaphyischer Erwägung schlussfolgerte.

Um dies zu erkennen und zu verstehen, bedarf es dem Heraustreten aus der ideologischen Sicht. Ideologie ist der Schleier, die Illusion, die aus heimlichen egoistischen Motiven geboren wird. Die Verheimlichung führt zu Projektionen und Schattenbildungen. Einfache direkte Wahrheiten werden verklausuliert und rationalisiert. Der Mensch geht in die Bewertung. Zum Beispiel schäme ich mich, etwas über mich zu sagen. Weil ich mir aber diese Scham nicht eingestehen will, bewerte ich die anderen Menschen negativ, indem ich sage, die kapieren das ohnehin nicht, sie sind zu dumm, zu grob, zu desinteressiert, ihnen fehlt das Fassungsvermögen oder die Sensibilität usw. usw. So wird unser Geist zum Anästhetikum, zur Betäubungspille, um unsere Wahrheit der Scham nicht zugeben zu müssen. Daraus entstehen endlose Leiden, in Form von Isolation, Entfremdung, Groll, bis hin zur Gewalt.

Das Gegenmittel gegen diese Krankheit ist die Ehrlichkeit. Sie bringt uns wieder mit unseren Nächsten in Kontakt, in Berührung. Erst dann kann die Lebensenergie wieder fließen. Menschen brauchen Menschen. Der Mensch ist des Menschen Medizin (afrikanisches Sprichwort).

Noch ein schönes Sprichwort:

Arbeite, als würdest Du das Geld nicht brauchen.
Liebe, als seiest Du niemals verletzt worden.
Tanze, als würde Dir niemand dabei zusehen.
Singe, als würde Dir niemand dabei zuhören.
Lebe als wäre es der Himmel auf Erden.

Ich füge hinzu: Schreibe als ob es niemand lesen würde.

In diesem Sinne wünsche ich mir viele Leser (grins).

Ronald Engert

Standard