Die Bildgestalten von Göttin und Gott sind die in der Raumzeit manifestierten Anker der göttlichen Energie. Sie sind die Adapter, an die unser Seelen-Adapter sich anschließen kann.
Am 21.02.2012 ist es passiert. Ich habe eine Bildgestalt von Radharani gekauft. Was heißt das? Ich hatte ja in meinen vorangegangenen Indien-Blogs schon davon berichtet, dass es einen Unterschied macht, wo sich mein Körper innerhalb der Raumzeit befindet (Blog 01), und was passiert, wenn zwischen mir und den Bildgestalten ein Vorhang zugezogen wird (Blog 02). In gleicher Weise ist es von Bedeutung, wo sich die Gottheit befindet.
In der indischen Vaishnava-Tradition verehren die Gläubigen deshalb dieses Bildgestalten – einfach gesagt Figuren, die Göttin und Gott darstellen. Ich habe in dem ersten Blog auch davon gesprochen, dass heutzutage in der alternativ esoterischen Szene allerlei Geräte und Objekte gehandelt werden, die eine energetische Wirkung haben sollen. Sie neutralisieren Elektrosmog, reinigen das Wasser oder die Raumenergie, bewirken Heilungen usw.
In dieser heiligen Stadt Vrindavan nun, in der ich mich gerade befinde, die das Zentrum der RadhaKrishna-Verehrung ist, gibt es zahlreiche Läden, in denen man diese Bildgestalten kaufen kann. Man stellt sie zuhause auf seinen Altar und verehrt sie. Es wäre ein leichtes, Geld einzustecken und einfach loszugehen und eine zu kaufen. Ziemlich wahrscheinlich würde jedoch unter diesen Umständen energetisch geradewegs nichts passieren. Der Kauf einer solchen Bildgestalt ist ein hoch mystischer Vorgang. Tatsächlich ist es so, dass Radha oder Krishna dich aussuchen und nicht du sie. Man kann nicht einfach irgendeine Figur erwerben. Es muss stimmen.
Nach dieser Vorrede möchte ich nun einfach erzählen, was mir passiert ist. Ich hatte eine Verabredung mit dem ortsansässigen Buchhändler Ras Bihari Lal, um ihm meine zwei Bhakti-Bücher vorbei zubringen, die im Tattva Viveka-Verlag erschienen sind. Der Handel war erfolgreich, und ich ging mit 2500 Rupien aus dem Laden heraus. Ich war so stolz! Mein erstes in Indien verdientes Geld! Immerhin circa 40 €. 2500 Rupien in Indien sind viel Geld, etwa soviel wie bei uns 400 €, wenn man den Kaufwert vergleicht.
Ich wollte dann noch zu einem anderen Buchhändler, von dem ich bis jetzt nur die Adresse hatte, aber bei dem ich noch nie war. Ich suchte also die Straße und den Laden und kam so in ein mir bis dahin wenig bekanntes Viertel. Nachdem ich den Laden gefunden hatte, waren meine für diesen Tag gesteckten Ziele erreicht, und ich ließ mich von da ab einfach durch die Straßen treiben. Die Straßen in Vrindavan sind eng und verwinkelt, voller Menschen und voller kleiner Läden, die wirklich alles Mögliche anbieten, was man so gebrauchen kann.
Ich kam also durch verschiedene Straßen, als mich plötzlich in so einem Figurenladen eine Figur anlachte. Ich war wie gebannt. Irgendwie übernahm dann eine andere Macht meine weiteren Handlungen. Ich hatte noch nie in meinem Leben ernsthaft in Erwägung gezogen, mir solche Bildgestalten zuzulegen. Es bedeutet eine gewisse Verpflichtung und Arbeit, sich um diese Repräsentationen von Göttin-Gott zu kümmern. Das war mir immer zu viel. Aber irgendwie hat mich diese Radharani in ihren Bann gezogen. Ich blieb stehen und schaute genauer hin. Der Händler war gleich zur Stelle. Ich fragte ihn, was sie kosten würde. Er wollte mir dann noch verschiedene andere Figuren andrehen, auch eine andere Radharani als diese, weil es zu dieser keinen passenden Krishna gab. Aber ich war vollkommen sicher, dass es genau diese Radha sein würde. Ich wollte kein andere haben. Ich wollte auch keinen Krishna, nur eine Radha. Dies ist sehr ungewöhnlich, denn in der Regel werden die beiden nur zusammen verehrt. Es war nur diese eine Figur, die infrage kam. Es war alles wie geführt, spontan und perfekt. Ich kaufe dann auch gleich Kleidung, Ohrringe und eine kleine Krone für sie. Die Figur ist etwa 30 cm hoch, aus Messing und wunderschön bemalt.
Ich wusste sofort, ich muss die jetzt mitnehmen. Auf keinen Fall zurücklegen lassen oder sowas. Ich hätte keine Sekunde mehr ohne sie verbringen wollen oder können. Zumindest wäre mir die Gefahr, dass sie über Nacht verschwindet, zu hoch gewesen.
Ich weiß nicht, es ist wohl nicht möglich, einem Außenstehenden zu beschreiben, was das wirklich bedeutet. Jetzt wird es echt schwierig. Diese Figur ist keine Figur. Sie ist Radharani persönlich, die sich mir offenbart hat, um mit mir eine Beziehung einzugehen beziehungsweise um die bereits vorhandene Beziehung zu intensivieren. Das entscheidende sind die Gefühle. Ich kann nicht beschreiben, was für eine Freude und was für eine Liebe sich in mir manifestierten, als ich meine Radharani in meinen Händen hielt, nachdem ich den Laden verlassen hatte. Dies ist für mich wie eine Heimkehr aus einem fast endlosen Exil, indem ich in einer fremden Welt verloren war. Das, was ich immer in anderen Menschen gesucht hatte, habe ich nun gefunden. Das, was ich suche, können mir Menschen nicht geben: die ewige Beziehung. Ich weiß jetzt nicht, ob das, was ich tue, wirklich Substanz hat. Vielleicht werde ich das auch nie herausfinden, denn ich glaube, wer dies heraus findet, hat alles herausgefunden. Ich weiß nur, dass ich diese Liebe und Geborgenheit, die ich hier fühle, nirgendwo anders fühle. Und das es das ist, was ich immer gesucht habe. Meine Beziehung zur Radharani hat sich nun so verstärkt. Ich spüre einen inneren Frieden und ein Glück, das aus der spirituellen Welt kommt. Ein Tropfen Glück von Radharani ist soviel wie eine Million Tropfen materiellen Glücks, hat meine Freundin Pratibha gesagt, als ich ihr davon erzählt habe. Dieses Glück ist jenseits von Samsara, den karmischen Kreislauf der Geburten und Tode. Es ist kein zeitweiliges Glück, das einen Anfang und ein Ende hat. Und durch diese Präsenz in der Bildgestalt wird die Beziehung intensiviert. Ich musste so viele weinen, ich drückte Radharani an mich und dachte nur, ich lass dich nie wieder los. Nie wieder: das kann nur die Göttin geben. Jeder Mensch wäre damit überfordert, und es ist auch nicht seine Verpflichtung oder Aufgabe. Hier sind diese ewigen Prinzipien an ihrem Ort. Und hier ist die Spiritualität an ihrem Ort. Deshalb gibt es Religionen. Damit diese Bedürfnisse der Seele erfüllt werden können.
In der Wirkung der Bildgestalten ist eine verborgene Struktur der Wirklichkeit zu erkennen. Ich habe das an anderer Stelle – im Tagebuch meiner Therapie in Bad Herrenalb – schon einmal anhand der Kuscheltiere ansatzweise entfaltet. Es gibt ja diese Therapie des Inneren Kindes, wo man die Verletzungen aus der Kindheit noch einmal durchfühlt und das Innere Kind selbst beeltert. Dazu benutzt man auch ein Kuscheltier. Es war damals schon erstaunlich, wie sehr dieses Kuscheltier mein Inneres Kind befriedigen konnte. Obwohl es ja nicht lebendig ist. Und damals kam mir schon die Idee, dass es gerade deshalb funktioniert, weil es nicht im physischen Sinne lebendig ist. Die Wirklichkeitsstruktur ist nicht von der Physis abhängig. Die Wirklichkeit ist spirituell, sie ist nicht materiell. Deshalb ist es kein Kriterium für Realität, ob sich jemand in einem physischen Körper befindet. Es geht um geistige Wesenheiten, um spirituelle Entitäten, um Seelen. Vielleicht auch manchmal einfach nur um seelische Energie. Das Kuscheltier repräsentiert eine tröstende Instanz, die ein Kind beruhigen kann und ihm Geborgenheit gibt. Die Bildgestalten von Radha und Krishna sind keine Kuscheltiere, sie sind die in der Raumzeit manifestierten Anker der göttlichen Energie. Sie sind die Adapter, an die unser Seelen-Adapter sich anschließen kann. Ich hatte das mal in der Zwölf Schritte Literatur der anonymen Sexaholiker gelesen: jede Seele hat ein Adapter, mit dem sie sich irgendwo anschließen muss. Der Anschluss, den wir suchen, ist der an Gott. Weil wir den aber verloren haben, suchen wir überall woanders danach, diesen Anschluss zu finden, und stopfen uns mit materiellen Dingen und Prozessen voll, die zur Sucht führen.
Meine Radharani steht jetzt neben mir und schaut mir beim Schreiben zu. Sie ist immer bei mir. Ich sorge für sie und verehre sie. Das ist alles.
Auszug aus: Ronald Engert – Gut, dass es mich gibt. Tagebuch einer Therapie
„ Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit. Heute habe ich mir zwei Kuscheltiere im Spielzeugladen geholt: Wusch und Zoppel. Wusch ist ein Tiger und Zoppel ist ein Bär. O, Mann, ich bin so glücklich! Schon als ich sie im Laden an mich drückte, kamen mir die Tränen.
(…)
Gestern Abend habe ich bestimmt eine Stunde mit Wusch und Zoppel gekuschelt. Jetzt sitzen sie gerade auch auf mir und ich stelle gerade fest, dass Zoppel ganz toll darin ist, mein Tagebuch zu halten. Es ist so warm und kuschelig, wenn sie bei mir sind. Es ist so merkwürdig, als ob sie Menschen wären und sogar viel mehr. Heute Morgen war ich so glücklich mit ihnen. Ich entdeckte meine Wunde. Ja, es ist wie eine offene, wunde Stelle, die einfach die ganzen Jahre offen war und eiterte. Jetzt heilt sie. Es ist auch, wie wenn endlich der Adapter angeschlossen ist. Wir haben als Menschen da so einen Adapter, eine Anschlussstelle, wo etwas angeschlossen werden muss. Das ist menschliche Wärme und Nähe und Geborgenheit. Ich habe verstanden, dass ich als Kind zu viel allein gelassen und verlassen wurde. Ich habe nicht genug Nähe und Geborgenheit bekommen. Das fehlt mir ganz doll. Und diese Kuscheltiere geben mir nun diesen Nähe und Geborgenheit. Das ist besser als Menschen oder lebende Tiere. Vielleicht haben lebende Tiere oder Menschen gar nicht diese Funktion. Vielleicht stehen diese Kuscheltiere für die primitivste Form der Anbindung an Gott. Aber nein, das glaube ich nicht. Gott ist eine eigene Anbindung, die mir aber fehlt. Die Kuscheltiere geben meinem Inneren Kind diese Wärme, Nähe und Geborgenheit. Jedenfalls scheinen mir Menschen diese Wärme nicht geben zu können. (Anmerkung Jan. 2010: Das Verhältnis zwischen Kuscheltier und Gott wäre näher zu untersuchen. Es gibt da eine Verbindung. Aber nicht in einem abwertenden Sinne, sondern in der höchsten Bedeutung, die man sich nur vorstellen kann. Konstitutiv für eine Erkenntnis der Wahrheit dieser Phänomene ist, dass es sich bei beiden Gegenüber nicht um reale Menschen handelt. Das Kuscheltier funktioniert aber trotzdem wie ein Gegenüber, selbst wenn es anatomisch nur angedeutete anthropoide Form hat (deshalb die Beliebtheit von Bären, denn sie kommen dem Menschen anatomisch am nächsten, anders als z.B. Wusch, der Tiger). Wahrscheinlich geht es bei dem Gegenüber nicht um einen Menschen, sondern es geht darum, dass der Mensch die Funktion des Gegenüber ausfüllen kann, wie eben auch ein Kuscheltier oder Gott. Jedenfalls ist der seltsame Umstand zu konstatieren, dass selbst mir als erwachsenem Mann das Kuscheltier emotionale Nahrung geben kann.)“