Philosophie, Walter Benjamin

Theologie und Politik

Walter Benjamin
Theologisch-politisches Fragment

Erst der Messias selbst vollendet alles historische Geschehen, und zwar in dem Sinne, dass er dessen Beziehung auf das Messianische selbst erst erlöst, vollendet, schafft. Darum kann nichts Historisches von sich aus sich auf Messianisches beziehen wollen. Darum ist das Reich Gottes nicht das Telos der historischen Dynamis; es kann nicht zum ZieI gesetzt werden. Historisch Gesehen ist es nicht Ziel, sondern Ende. Darum kann die Ordnung des Profanen nicht am Gedanken des Gottesreiches aufgebaut werden, darum hat die Theokratie keinen politischen sondern allein einen religiösen Sinn. Die politische Bedeutung der Theokratie mit aller Intensität geleugnet zu haben ist das größte Verdienst von Blochs „Geist der Utopie“. Die Ordnung des Profanen hat sich aufzurichten an der Idee des Glücks. Die Beziehung dieser Ordnung auf das Messianische ist eines der wesentlichen Lehrstücke der Geschichtsphilosophie. Und zwar ist von ihr aus eine mystische Geschichtsauffassung bedingt, deren Problem in einem Bilde sich darlegen lässt. Wenn eine Pfeilrichtung das Ziel, in welchem die Dynamis des Profanen wirkt, bezeichnet, eine andere die Richtung der messianischen Intensität, so strebt freilich das Glückssuchen der freien Menschheit von jener messianischen Richtung fort, aber wie eine Kraft durch ihren Weg eine andere auf entgegengesetzt errichtetem Wege zu befördern vermag, so auch die profane Ordnung des Profanen das Kommen des messianischen Reiches. Das Profane also ist zwar keine Kategorie des Reichs, aber eine Kategorie, und zwar der zutreffendsten eine, seines leisesten Nahens. Denn im Glück erstrebt alles Irdische seinen Untergang, nur im Glück aber ist ihm der Untergang zu finden bestimmt. – Während freilich die unmittelbare messianische Intensität des Herzens, des innern einzelnen Menschen durch Unglück im Sinne des Leidens hindurchgeht. Der geistlichen restitutio in integrum, welche in die Unsterblichkeit einführt, entspricht eine weltliche, die in die Ewigkeit eines Unterganges führt und der Rhythmus dieses ewig vergehenden, in seiner Totalität vergehenden, in seiner räumlichen, aber auch zeitlichen Totalität vergehenden Weltlichen, der Rhythmus der messianischen Natur, ist Glück. Denn messianisch ist die Natur aus ihrer ewigen und totalen Vergängnis. Diese zu erstreben, auch für diejenigen Stufen des Menschen, welche Natur sind, ist die Aufgabe der Weltpolitik, deren Methode Nihilismus zu heißen hat.

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2 Gedanken zu “Theologie und Politik

  1. Amalia Reisenthel schreibt:

    sehr geehrter Herr Engert,

    ich habe Ihr Beitrag mit großen Interesse gelesen und wende mich
    mich an sie als „Walter-Benjamin-Spezialisten“ -ich suche bibliographischen Nachweißs für seine Feststellung, dass
    „die Juden dieser Epoche ebenso wie ihre Bauwerke sich äußerlich der westlichen Kultur anpassten, im Kern jedoch orientalisch blieben“.
    Es wird mich weiter in meinen Recherchen über den Orientalismus in der jüdischen Architektur bringe. ich danke Ihnen im Voraus und wünsche weiterhin erfolgreiche Beiträge. ich gehöre auch „W. Benjamin- fun club“.

    mit freundlichen Grüßen
    Amalia Reisenthel

    • Hallo Amalia,
      mit dem bibliografischen Nachweis kann ich leider nicht dienen. Könnte mir aber vorstellen, dass er in seinen Briefen zu finden ist. Aber ich weiß es nicht. Schön, dass Sie zum Fanclub gehören :)))

      Gruß Ronald Engert

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