Neues, Philosophie, Politik

Fakten und Meinungen im Widerstreit

Der Streit um die Fakten ist eine falsche Auseinandersetzung. Fakten bzw. Tatsachenwahrheiten werden in der Politik immer als Meinungen instrumentalisiert. In Wirklichkeit geht es um die dahinterliegenden Interessen. Wir müssen uns also die jeweilige Ideologie anschauen, anstatt uns um die Fakten zu streiten. Der Artikel bezieht sich auf Hannah Arendts Aufsatz »Wahrheit und Politik«. Arendt arbeitet den Unterschied von Fakten und Meinungen heraus und macht in ihrem Aufsatz deutlich, dass wir uns in einen bodenlosen Abgrund begeben, wenn wir die Tatsachenwahrheiten aufgeben. Der Mensch braucht die Wirklichkeit, um eine stabile Orientierung in der Welt zu finden.

Hannah Arendts Aufsatz »Wahrheit und Politik«

Arendt vergleicht in ihrem Aufsatz Wahrheit und Politik und macht deutlich, dass Wahrheit etwas anderes ist als Macht. Der Bereich der Politik dreht sich um die Macht. Die Wahrheit erweist sich aber in der öffentlichen Welt allzu oft als ohnmächtig. Das Gegenteil der Wahrheit ist die Lüge, und so ist die Lüge so gut wie immer konstitutiv für die Ziele, die die Macht erstrebt. Allein, wir fühlen, dass dies nicht befriedigend ist. Hannah Arendt formuliert es so: »Ist schließlich nicht Wahrheit ohne Macht ebenso verächtlich wie Macht, die nur durch Lügen sich behaupten kann?« (Arendt, 44, alle Zitate aus dem Buch, Quelle am Ende)

Bereits Platon wusste, dass die Wahrheit nicht immer beliebt ist. Am Ende seines Höhlengleichnisses schreibt er, dass derjenige, der versucht, die Menschen aus der Fessel der Illusion zu befreien, gefährlich lebt. Sie würden ihn, »wenn sie seiner habhaft werden und ihn töten könnten, auch wirklich töten« (47). So erging es Sokrates, und so erging es Jesus. Auch Thomas Hobbes wusste in seinem Hauptwerk ›Der Leviathan‹ zu berichten, dass »Menschen Wahrheit nur willkommen heißen, wenn sie niemandes Vorteil oder Gefallen beeinträchtigt« (47). Heute kann man dazu sagen: Wir akzeptieren jedes Argument, das zu unserer Meinung passt.

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Authentizität, Neues

Zeige dich

Zeige dich

Was ist deine Wahrheit? Wer bist du wirklich? Es ist sehr gut, diese Fragen zu stellen und dafür Antworten zu suchen. Immer wird diese Arbeit an mir selbst ein Prozess sein, der vielleicht nie zum Abschluss kommen wird. Dennoch lohnt es sich, diesen Weg zu beschreiten. Jeder kleine Schritt hin zu mir selbst ist ein Fortschritt und trägt seine Befriedigung und seine Freude in sich. Ich muss nicht fertig werden. Die Bewegung reicht.

Aber auch, wenn ich schon ein gutes Stück auf diesem Weg zu mir vorangekommen bin, braucht es ein weiteres Element, um die Sache vollständig zu machen: Ich muss mich einem anderen Menschen zeigen. Die Verwirklichung meines Selbst ist keine isolierte Angelegenheit, sondern auch unabdingbar ein Beziehungsgeschehen. Wenn ich mich nicht zeige, verleugne ich mich selbst vor meinem Gegenüber, und das bedeutet, ich kann nicht der sein, der ich bin. Erst wenn ich mich zeige, werden mein Sein und meine Selbstverwirklichung vollständig, werde ich identisch. Ich bin der, der ich bin, wenn ich mich zeige. Natürlich muss ich innerhalb meiner selbst immer wieder schauen und nachspüren, was im jetzigen Moment das Richtige ist, was sich gut anfühlt für mich, was mir gut tut. Es ist zuerst ein innerer Prozess innerhalb meiner Subjektivität. Das ist die erste Stufe meiner Selbstwerdung. Das ist die Innenseite.

Der Mensch hat aber auch eine Außenseite und zum ganzen Wesen gehören innen und außen gleichermaßen dazu. Es ist essenziell, wie ich mich zeige: ob ich mich in meiner Wahrheit zeige, oder ob ich eine Maske trage und eine Scheinpersönlichkeit vorspiele. Mein Selbst ist auch diese Außenseite und wenn ich hier mein wahres Sein nicht zeige, verletze ich mich selbst. Diese Verletzung führt zu einem Schmerz, den wir in der Regel durch Suchtprozesse betäuben. »Wir machen uns weg.« Wie soll ich existieren, wenn ich mich weg mache? Wie soll ich der sein, der ich bin, wenn ich mich für einen anderen ausgeben? Das geht nicht.

Mich in meiner Wahrheit anderen Menschen zu zeigen, ist deshalb der Schlüssel zu mir selbst. Im Sich-Zeigen komme ich bei mir an. Hier schließt sich der Kreis der Selbstverwirklichung. Erst jetzt bin ich ganz.

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Authentizität, Sein-Kolumne, Selbst

Ehrlichkeit

Ehrlichkeit ist der Schlüssel zur Freiheit. Sie bringt uns in die Gegenwart. Viele von uns versuchen immer noch, ein gutes Bild nach außen abzugeben. Wir wollen uns immer noch gut anhören. Aber mit dieser Abhängigkeit von außen verraten wir auch uns selbst. Dann können wir uns selbst nicht so sehen, wie wir wirklich sind. Und das führt zu Scham, Schmerz und Isolation. Wenn ich meine Seele oder mein wahres Ich verleugne, ist das enorm schmerzhaft. Das ist die Abspaltung von mir selbst. Es geht nicht darum, bei anderen gut anzukommen, sondern darum, bei mir selbst gut anzukommen.

Diese Unehrlichkeit und Leugnung nährt die spirituelle Krankheit, d.h. die Abspaltung von mir selbst und den daraus resultierenden Verlust von Kraft und Freude. Es ist wichtig, dass wir uns zeigen, auch mit unseren Fehlern und Mängeln. Diese Mängel wachsen im Dunkel der Leugnung und sterben im Licht der Enthüllung.

Viele von uns dachten, es sei nicht nötig, Gott gegenüber die genaue Art unserer Fehler zuzugeben. »Er weiß doch eh alles«, sagten wir uns. Aber das Eingeständnis muss von uns selbst kommen, damit es wirksam ist. Es liegt in unserer Freiheit, ob wir uns offenbaren oder nicht. Aber nur durch diese Offenbarung können wir heilen.

Oft haben wir Angst, uns zu zeigen. Es ist wichtig, Menschen unseres Vertrauens zu finden, von denen wir wissen, dass sie nicht böswillig sind oder uns aus einem Missverständnis heraus beurteilen.

Es geht darum, klar, ehrlich und einfach zu sein. Wir sagen die Wahrheit kurz und bündig, ohne blumige Worte, die die Sache verharmlosen oder dramatisieren.

Was mich betrifft, fällt es mir nicht leicht, diese Fähigkeit zu entwickeln. Es bedeutet für mich immer wieder, mich zu prüfen und zu spüren, ob das, was ich sage, die Wahrheit ist. Meine Neigung ist, es doch nicht so genau zu sagen, denn das macht mir Angst. Angst vor Ablehnung und Verlust. Aber hier beginnt schon die Abwärtsspirale. Hier verliere ich mich selbst.

Je ehrlicher ich mich zeige, umso erleichterter bin ich hinterher. Dann erfahre ich Berührung mit meinem Gegenüber und mit mir selbst.

Wir Menschen sind intersubjektive Wesen. Nur indem wir uns zeigen, werden wir der, der wir sind.

 

www.burnout-und-sucht.de

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Sein-Kolumne, Selbst

Kapitulation

Viele Menschen in der spirituellen Szene suchen nach Heilung oder einem spirituellen Erwachen. Die Idee dahinter ist mitunter, dass ich ein besserer Mensch bin, wenn ich den spirituellen Weg gehe, und allein die Tatsache, dass ich mich spirituell betätige, bringt mich auf die sichere Seite.

Aber dem ist nicht so. Wie in anderen Beiträgen an dieser Stelle ausgeführt, geht es auf dem spirituellen Weg darum, bei sich selbst anzukommen. Wer bin ich aber wirklich? Wo stehe ich tatsächlich?

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Hier kommt die Realität ins Spiel. Eines unserer Probleme besteht darin, dass wir es einfacher finden, unsere Wahrnehmung der Realität zu ändern, als die Realität selbst. Um die Realität zu ändern, bedarf es aber zuerst einmal der ehrlichen Einsicht, wo ich gerade wirklich stehe.

Und hier kommt die Kapitulation ins Spiel. Welche Probleme habe ich? Wo liegen meine Fehler? Was habe ich an Schaden angerichtet? Und was kann ich tun?

Die Wahrheit ist, dass ich oft machtlos bin. Ich bin in einer bestimmten Situation oder habe ein bestimmtes Verhalten und kann es nicht ändern. Meine Erfahrung ist, wenn ich meine Machtlosigkeit annehmen kann, dann geht es mir gut. Dann bin ich bei mir und nicht mehr abhängig von außen.

Meine Machtlosigkeit ist meine Wahrheit. So wenig schön dies für mein Ego ist, das immer der Meister und der Sieger sein will, so wahr ist es doch für meine Seele. Und hier öffne ich mich für die Gnade. Hier beginnt die wahre Hingabe. Hier nehme ich meine wahren Status an. Und nur hier kann eine echte Veränderung geschehen.

Es nützt nichts, sich etwas vorzumachen. In der Wahrheit fühlen wir den Kammerton A, das Echte, Stimmige, denn die Seele hat das absolute Gehör. Erst wenn ich meine Machtlosigkeit zugebe, bin ich da, wo ich wirklich bin. Dann ist mein spirituelles Handeln keine Täuschung und kein strategisches Selbstbild mehr. Nur dann kann ein spirituelles Erwachen geschehen.

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Tattva Viveka

Editorial zu Tattva Viveka 49

Liebe Leserinnen und Leser

ich möchte heute an dieser Stelle mal eine Lanze für die Wissenschaft brechen. Im Vorfeld zu dieser Ausgabe, im Verlauf der redaktionelle Arbeit zu dem Thema »Quantenphysik und Bewusstsein«, unterhielt ich mich hier und da mit Leuten aus dem spirituellen Umfeld und erzählte ihnen fasziniert von den Erkenntnisse der Quantenphysiker, die die Aussagen der spirituellen Traditionen und die Erfahrungen der spirituellen Praktiker bestätigen. Manchmal kam eine verständnislose Reaktion ob meiner Begeisterung, so nach dem Motto »Ist doch eh klar, dass alles Bewusstsein ist.« Was sei daran schon besonderes, wenn die Physiker nun mit mühseligen kleinsten Schritten endlich etwas beweisen, was jeder Esoteriker schon längst weiß. Wozu diese kleinen Schritte, wenn wir das doch im großen Wurf schon längst weit hinter uns gelassen haben? Daraus klingt dann auch eine leichter Unterton von Arroganz gegen diese unwissenden Wissenschaftler hervor, die noch in der materiellen Umnachtung gefangen sind.
Doch es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen diesen beiden Formen des Wissens. Ich möchte zu bedenken geben, dass viele Menschen in den esoterisch-spirituellen Kreisen keine wissenschaftliche Ausbildung haben und demzufolge über etwas urteilen, was sie nicht kennen. Wissenschaft als überflüssig abzutun, ohne zu wissen, was es überhaupt ist, ist wenig überzeugend, finde ich. Da ich selbst eine wissenschaftliche Ausbildung an der Universität erhalten habe, weiß ich zumindest, was wissenschaftliches Arbeiten und Erkennen bedeutet. Ich möchte einfach nur bemerken, dass Wissenschaft ein Erkenntnisinstrument ist, das nach bestimmten Gesetzen funktioniert, die man im weitestens Sinne als die Gesetze des Denkens beschreiben kann. Wissenschaft bemüht sich um gesichertes Wissen, das von Glauben und Fürwahrhalten unterschieden wird. Wie kann ich als Mensch zu Erkenntnis und Wissen gelangen? Woher weiß ich, dass meine Erkenntnis richtig ist? Wissenschaft unterscheidet zum Beispiel streng zwischen Hypothese und Argument. Als Wissenschaftler muss ich eine Hypothese aufstellen, weil es nicht anders geht, weil so das Forschen funktioniert. Aber ich muss diese Hypothese als solche klar zu erkennen geben. Dann muss ich Argumente oder Beweise finden, die meine Hypothese belegen. Unwissenschaftliche Denkweisen vermischen öfters Hypothese und Argument. Man stellt eine Hypothese auf, z.B. »Bewusstsein bestimmt Materie«, und nimmt das in der Argumentation gleich als Beweis oder Argument. Hier wird dann Erkenntnis und Behauptung vermischt und nicht klar unterschieden. So bleiben die Aussagen im Bereich des Glaubens, und sind somit nicht bewiesen und sehr leicht angreifbar. Wir kommen so nicht aus dem Bereich der Beliebigkeit heraus.
Wissenschaft hat also eine bestimmte Arbeitsweise, in der Hypothesen echte Hypothesen, und Beweise echte Beweise sind. Wenn ein Wissenschaftler seine Hypothese nicht beweisen kann, gibt er sie ohne Zögern auf. Er identifiziert sich nicht mit einem Glauben. Somit ist er gegen Dogmatismus gefeit und vermag, objektive Erkenntnis zu erzielen, d.h. Erkenntnis, die keiner persönlichen Absicht untersteht. Gerade die wissenschaftliche Arbeitsweise ist somit Garant für das Finden von Wahrheit. Da Wahrheit genuin das Feld der Spiritualität betrifft, treffen sich hier Wissenschaft und Spiritualität in der innersten Essenz dessen, was den Menschen betrifft. Deshalb ist es ein Unterschied, ob die Wissenschaft das Bewusstsein beweist, oder ob wir einfach nur daran glauben.

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