Ja, es hat sich schon viel getan. Es ist wieder so, wie ich es eigentlich kenne. Es ist immer etwas los. Die Tage sind kurz und kurzweilig. Ich hatte ja in meinem ersten Blogeintrag geschrieben, dass ich mich fremd und uninspiriert fühle. Wie auch schon an anderer Stelle gesagt, finde ich es wichtiger herauszufinden, wo ich bin, anstatt wo ich sein soll. Emotional gemeint. Ich glaube, es war gut mir dies einzugestehen und ehrlich mit mir selbst zu sein. Es gab mir die notwendige Demut und Aufgeschlossenheit und Bereitschaft, um Gott zu bitten mir zu helfen. Mein Gott ist ja eine Göttin: Radha. Ich habe zu Radha gebetet, dass sie mir Inspiration gibt, dass Sie mir Ihre Barmherzigkeit gibt und mich in das spirituelle Bewusstsein eintreten lässt. Mein Wunsch wurde prompt erfüllt. Und zwar so schön, dass ich hier öffentlich nicht alles schreiben kann und darf. Die Liebe zu Radha und Krishna ist sehr sehr fein und sehr intim. Und weil es auch ganz viel mit mir selbst und meiner wahren Identität zu tun hat, ist es ratsam, die Dinge vorsichtig zu behandeln. Aber soviel sei gesagt: es geht um die wahre Identität.
Im Bhakti-Yoga gibt es eine spirituelle Wahrheit bezüglich unserer wahren Identität. In Bhakti-Yoga heißt es nämlich, dass wir in unserer wahren Identität einen spirituellen Körper haben, der geeignet ist, im göttlichen Spiel mitzuwirken. Dieser Körper und diese Identität, die damit zu tun hat, ist eine ganz persönliche Form, die sich als Manjari zeigt. Die Manjaris sind die jugendlichen Freundinnen von Radha. Jenseits aller Bedingtheiten und temporären Identifikationen, jenseits aller sterblichen Hüllen und Illusionen muss es eine Wahrheit geben. In der Tradition der Bhakti ist der spirituelle Meister in der Lage, dem Schüler seine ewige Form zu offenbaren. Diese Form nennt sich in Sanskrit „siddha-deha“, der ewige spirituelle Körper. Wenn man alle vergänglichen Welten hinter sich gelassen hat und in das spirituelle Reich Gottes eintritt, ist man dort nicht einfach nur ein Licht, das mit dem andern Licht verschmilzt, sondern man hat eine Gestalt, die dazu geeignet ist, Radha und Krishna Freude zu bereiten. Zum Beispiel gibt es Manjaris, die die Kleidung von Radharani vorbereiten, die das Bett machen, die Girlanden machen, die Essen darbringen, die Farbe auf die Füße von Radha und Krishna aufbringen oder deren Aufgabe es ist, die Liebe zwischen Radha und Krishna zu vergrößern, indem sie allerlei Arrangierungen treffen, um sie an einem geheimen Ort zusammenzubringen.
Man hört hier in Vrindavan viele von diesen Geschichten, von diesen Eigenschaften und Qualitäten der Gottheiten und allein dadurch, dass man sich damit beschäftigt, zuhört oder darüber spricht, kann man schon spirituelle Ekstase erleben.
Was verstehe ich unter spiritueller Ekstase? Es ist ein Ergriffensein, ein intensives Kribbeln im Brustraum, Tränen in den Augen, sehr intensive Glücks- und Liebesgefühle, eine tiefe seelische Rührung, die mir die Gewissheit gibt, dass dies das absolut Richtige ist, das Beste, was mir als Lebewesen und Seele passieren kann. Diese intensiven Gefühle stellen sich für mich nur in dieser Beziehung zu Radha und Krishna ein. Ich kann es nicht anders sagen. Ich finde das sonst nirgendwo. Es gibt in anderen spirituellen Traditionen andere Formen der spirituellen Ekstase oder der Erleuchtung. Jede ist anders. Jede ist eigen. Hier, in der Bhakti, ist es dieses tiefe emotionale Gerührtsein, dieses Weinen vor Glück und vor Liebe, was mich so fasziniert. Es ist mir schon wieder geschehen. Durch eine Barmherzigkeit des spirituellen Meisters. Es ist meistens ein Mensch, namentlich der spirituelle Meister, der uns die Barmherzigkeit gibt.
„Die Barmherzigkeit geben“ ist in dieser Tradition ein stehender Ausdruck. Es bedeutet die Übertragung der Liebesgefühle auf den Aspiranten (die Übertragung der bhava und prema durch die kripa-shakti). Wir können uns diese spirituelle Ebene nicht selbst erarbeiten. Wir sind viel zu weit davon entfernt. Aber der spirituelle Meister oder ein anderer großer Gottgeweihte kann uns durch seine Barmherzigkeit auf diese Ebene hochziehen. Dieser Weg ist sehr einfach. Das Einzige, was es dazu braucht, ist Begierde. Die Begierde, diese Gefühle, diese bhavas, zu fühlen. Die großen Gottgeweihten sind immer bereit, das, was sie bekommen haben, weiterzugeben. Allein, es fehlt meistens bei den Anwärtern die Aufgeschlossenheit und Bereitschaft.
Aber so ein klein wenig von dieser Begierde habe ich schon. Sogar soviel, dass ich dem Guru ein Papier geklaut habe, dass er mir und zwei anderen Anwesenden zwar gezeigt hat, aber dann wiederhaben wollte. Ich habe es in einem unbemerkten Moment in meiner Hemdtasche verschwinden lassen. Auf diesem vertraulichen Papier ging es um die spirituelle Identität bestimmter mir namentlich bekannter Personen. Ich hatte allerdings dann ein so schlechtes Gewissen, dass ich später zu ihm hin bin und meine Tat gestanden habe. Er war mir nicht böse und sagte statt dessen, ich solle das Papier behalten und darüber meditieren. (…)
Das ist eben das Gute, wenn man in Vrindavan ist. Es geht überall und andauernd um dieses Thema: Wissen und Erfahrungen von Göttin und Gott. Jeder spricht andauernd darüber. Überall werden die Mantras rezitiert und die Gesänge angestimmt. Überall gibt es Tempelverehrungen, jeder beschäftigt sich im hingebungsvollen Dienst.
Auszug aus einem Vortrag von Jagandananda Prabhu:
(Jeden Tag um 16.30h ist eine Klasse von dem Sanskrit-Gelehrten Jagandananda. http://jagadanandadas.blogspot.in)
Nur in der siddha-svarupa (dem siddha-deha, der eigenen spirituelle Form) kann man die Spiele von Radha und Krishna sehen. Der Sadhana kultiviert die Bhava (die Liebesgefühle). Die Form wächst aus der Bhava. Das eigentliche Meditationsobjekt ist Bhava. Die Form offenbart sich dann. Wenn der spirituelle Meister dir deinen siddha-deha offenbart, ist das der Same für die Bhava.
Im sadhaka-deha braucht man auch die Rationalität, die tattvas, die philosophische Seite, um stabil zu bleiben. Die emotionale Ebene reicht im siddha-deha aus, aber nicht im sadhaka-deha (im materiellen Körper). Wir nutzen unsere rationale Kraft, um den rasa (den Geschmack, die Stimmung) zu unterstützen. Die rationale Seite ist der Diener der emotionalen Seite. Wenn man die rationale Seite zu stark macht, fällt man in shanta-rasa (eine neutrale Stimmung gegenüber dem göttlichen Spiel).
Was ist die pure Essenz der menschlichen Erfahrung? Was ist die Spitze der menschlichen Erfahrung? Wenn wir über Glück sprechen. Wenn wir alle Hindernisse und Unreinheiten rausnehmen. Wo finden wir Zufriedenheit? Was treibt uns voran? Was führt uns zur höchsten Wahrheit?
Erschaffen, Erhalten und Zerstören sind nur sekundäre Qualitäten Gottes. Das sind die aishvariya-Eigenschaften (die majestätischen Eigenschaften Gottes). Die höheren Rasas sind die Wichtigeren (madhurya-rasa, Freundschaft und Liebe)
Beispiel: Ein offizieller Regierungsvertreter möchte einen Termin beim Premierminister. Er wird gebeten, eine halbe Stunde zu warten. Nach einer dreiviertel Stunde fragt er, wie lange es noch dauert. Es stellt sich heraus, dass der Minister mit seiner kleinen Enkelin spielte. Seine Enkelin war ihm wichtiger als seine Anhaftung an die Macht seiner hohen Stellung.
Was ist an der Wurzel der Psyche? Wenn wir das befriedigen könnten, dann wären Korruption und fanatische Bereicherung an Geld und Macht, der endlose Durst nach Macht und Reichtum zu überwinden. Wir sprechen über die höchste Form der Göttlichkeit. Das ist eine intellektuelle Herausforderung.
Noch ein paar Nachträge:
Bei allen spirituellen Höhenflügen gibt es doch auch irdische Vergnügungen. Gestern Abend lecker Pizza essen gewesen:
Das Schulfest der Sandipani Muni-Schule fand heute statt. Sie feierten die Rückkehr der Yamuna nach Vrindavan. Die Yamuna ist der Fluss der hier vorbeifließt. Einer der drei heiligen Flüssen in Indien. Sie floss seit 25 Jahren einen anderen Weg und was hier in Vrindavan vorbeifloss, war nur das Abwasser aus Delhi. Aber jetzt ist der Original-Fluss wieder zurückgekehrt.
Und hier noch ein paar Bilder von der Schule: