Indien-Blog 2013

Ankunft in Indien

Jetzt bin ich wieder mal in Indien. Vorgestern nach einer langen Reise in Vrindavan angekommen. Obwohl ich die Nacht nicht geschlafen hatte, war ich doch auch den Rest des Tages frisch und ging erst so um 20:30 Uhr Ortszeit zu Bett (16:00h in Deutschland), um dann 12 Stunden zu schlafen. Damit war eigentlich die Anpassung an die Zeitumstellung von 4,5 Stunden weitesgehend erledigt.

Das moderne Indien

Dehli Metro, hochmodern, teure Fahrkarten, kaum Fahrgäste

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Das moderne Indien

Indien hat sich wieder verändert. Es ist noch moderner geworden. Es ist das erste Mal, dass ich auf der ganzen Strecke von Delhi nach Vrindavan, die ich mit einem Taxi zurücklegte, keinen einzigen Ochsenkarren sah. Früher war es immer so, dass selbst auf der so genannten „Autobahn“ immer mal wieder schwer beladene Ochsenkarren anzutreffen waren, gerne auch gegen die Fahrtrichtung. Sie bringen langsam Ordnung in die Angelegenheiten. Und das hat natürlich auch damit zu tun, dass immer mehr Regeln aufgestellt werden und angepasstes Verhalten gefordert wird. Man kann hier in Indien an manchen Stellen beobachten, wie der Übergang vom vormodernen oder sogar vorkollektivem Zeitalter zum organisierten kollektiv strukturierten modernen Zeitalter vor sich geht. Der Übergang von der Anarchie zur regelbasierten Gesellschaft wird hier deutlich durch ein Bedürfnis nach Regeln, um der völligen Anarchie und des Durcheinanders Herr zu werden. Anders als bei uns, wo das fortschrittlichste Bewusstsein sich mittlerweile über jegliche regelorientierte Organisationsform der Gesellschaft hinwegsetzt, um zu einer individuellen Autonomie und einer Souveränität des Subjekts im vollen Umfange auf der realisierten individuellen Stufe zu gelangen. Wir lehnen in Deutschland gerne die Regeln in jeder Hinsicht ab – was auch im relativen Kontext richtig ist –, sind uns aber der Umstände nicht bewusst, die damals zur Einführung der Regeln führten.

Blick auf die Hauptstraße Mathura Road.

Blick auf die Hauptstraße Mathura Road. 

Ochsenkarren

Erst in dem Dorf Vrindavan sah ich den ersten Ochsenkarren. Der gehört der Sandipani Muni-Schule, die ein von Westlern organisiertes Wohltätigkeitsprojekt für mittellose Kinder ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jetzt sitze ich gerade hier in meinem Zimmer und stelle mir die Frage, ob es eine gute Idee war, nach Indien zu fahren. Mein spirituelles Bewusstsein ist mehr oder weniger nicht existent, ich fühle mich fremd und manches an den Umständen gefällt mir nicht, zum Beispiel der Lautsprecher in der Nachbarschaft, der unablässig monotone Gesänge in Hindi oder Sanskrit ausstrahlt, die noch nicht mal mit einer Musik begleitet sind. Wobei dies vielleicht noch ein Segen ist. Wir haben in drei Tagen Diwali, zusammen mit Holi eines der beiden wichtigsten Fest in Indien. Das ist so wie bei uns in Deutschland Weihnachten oder Neujahr. Ich habe gerade gelesen, dass viele Geschäfte und Unternehmen in Indien ihr Geschäftsjahr mit Diwali beginnen, weil es in diesem Fest auch um Wohlstand und Gesundheit und gutes Gelingen geht. Zigtausende sind unterwegs, um zu ihrer Familie nachhause zu fahren oder zu einem heiligen Ort zu pilgern – wie zum Beispiel Vrindavan. Ich halte mich deshalb im Moment noch damit zurück, mich nach draußen in den Trubel zugegeben. Ich bleibe hier im Ashram, einer geschützten idyllischen Umgebung.

Radha Mohan Tempel in Vrindavan

Radha Mohan Tempel in Vrindavan

Zu meinem mehr oder weniger nicht vorhandenen spirituellen Bewusstsein ist zu sagen, dass dies eine typische Erfahrung ist. Mir scheint die Gesamtwahrnehmung meiner psycho-spirituellen Disposition immer ein Produkt aus Umfeld und Innenleben zu sein. Also es reicht nicht, mein Bewusstsein alleine zu betrachten, sondern ich muss auch berücksichtigen, in welchem Umfeld ich mich gerade befinde. Das Umfeld Vrindavan ist ein sehr spirituelles. Es ist also gut möglich, dass mein Bewusstsein immer noch ziemlich spirituell ist, vielleicht sogar gerade im Moment noch spiritueller als in Deutschland, aber vor dem Hintergrund des Umfelds einfach wesentlich dunkler wirkt. Das ist wie mit Licht und Dunkelheit. Wenn du im grellen Sonnenlicht eine Taschenlampe anzündest, denkst du die hat ja gar keine Lichtkraft. In der Finsternis leistet sie dennoch sehr gute Dienste. Oder wie wenn man nachts das Licht einschaltet und geblendet ist. Es sind relative Wahrnehmungsquotienten, die uns etwas als viel oder wenig, hell oder dunkel, spirituell oder nicht spirituell bewerten lassen. Bisher war es in Indien immer so, dass ich mir innerhalb des Ashrams oder der spirituellen Community eher unspirituell vorkam, aber dann, sobald ich nach draußen in die materielle Welt kam, erst merkte, wie hoch mein Bewusstsein ist. Ich erinnere mich noch gut an die Rückkehr von meiner letzten Reise von Indien, im Frühjahr 2012. Der Nachmittag in Paris, ein Zwischenstopp auf dem Rückflug, verlief noch glatt. Es war unauffällig und „normal“. Ich machte etwas Sightseeing und ging Kaffee trinken usw., alles war schön. Als ich dann jedoch in Berlin ankam und erst am nächsten Morgen so richtig realisierte, wo ich jetzt gelandet bin, sah ich plötzlich die ganze Szenerie komplett von außen. Ich fragte mich, was diese Menschen hier tun. Sie verschwenden ihre Zeit mit unwesentlichen Dingen, mit Arrangierungen für ihren Körper und ihre materielle Befriedigung. Sie orientieren sich in zeitweiligen, sehr kurzlebigen Zielen, die ihr wahres Selbstinteresse als ewige, spirituelle Seele überhaupt nicht befriedigen können. Ich nahm das als eine große Unwissenheit wahr, sprichwörtlich das, was die indische Spiritualität als Maya, Illusion, bezeichnet. Nun gut, jetzt sitze ich hier und es fehlt mir etwas an Inspiration. Aber ich habe den Wunsch, mich dieser spirituellen Kraft auszusetzen. Wir werden sehen, was noch passiert.

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