Dr. David Frawley und Dr. Navaratna S. Rajaram: Hidden Horizons
Unearthing 10.000 years of Indian Culture, Swaminarayan Aksharpith, Ahmedabad, India, 2006, 2. Aufl. 2008, ISBN 81-7526-331-8, geb., 179 S.,
Eine der wichtigsten Fragen der Menschheit ist sicherlich die nach dem Ursprung ihrer Zivilisation. Wo entstand unserer Kultur? Welches sind die ältesten Zeugnisse menschlicher Zivilisation im heutigen Sinne?
Die bisherige Lesart aus der Sicht der abendländischen Zivilisation geht von einem Ursprung der Kultur in Mesopotamien und Ägypten aus. Zunächst hatte man angenommen, dass die griechische Antike vor 2500 Jahren das älteste Zeugnis ist. Pythagoras, die Vorsokratiker und Platon galten als Begründer, doch man musste mittlerweile eingestehen, dass hier nicht der Anfang liegt, sondern dass die griechische Antike sich aus älteren Quellen speist, eben der Kulturen der Sumerer in Mesopotamien, gelegen an den Flüssen Euphrat und Tigris, sowie der alt-ägyptischen Dynastien am Nil.
Die griechische Antike geht bis ca. 500 v. Chr. zurück. Das war auch die Zeit von Moses, in der die semitischen Kulturzeugnisse, insbesondere die alttestamentarische jüdische Religion und ihre Schrift, die Thora, entstanden.
Sumer und Ägypten lassen sich hingegen viel weiter zurückverfolgen. Man geht heute in der westlichen Forschung davon aus, dass die Wiege der Zivilisation etwa 2900 v. Chr. im Vorderen Orient zu finden ist.
Nicht verborgen blieb indes die Sprachverwandschaft zwischen den germanisch-romanischen Sprachen (Griechisch, Latein, Deutsch) und dem alten Sanskrit Indiens. Die europäischen Sprach- und Kulturforscher des 19. und 20. Jahrhunderts wie Max Müller, Helmut Glasenapp u.a. entwickelten die Hypothese einer indo-germanischen Ursprache, die den heutigen Sprachgruppen im Westen und Fernen Osten zugrunde liegen sollte. Die einstmalige Existenz dieser indo-germanischen Ursprache gilt heute weithin als Konsens in der akademischen Wissenschaft, wiewohl es dafür keine archäologischen Belege gibt.
Zur Erklärung, wie es zu dieser Sprachverwandschaft zwischen Latein, Griechisch und Sanskrit kommt, wurde die Theorie von der Arischen Völkerwanderung entwickelt. Derzufolge sollten die zivilisierten Völker aus dem Westen in den Osten gewandert sein und den dortigen unzivilisierten Ureinwohnern die Kultur gebracht haben. Diese Arische Migration soll ca. um 2000-1500 v. Chr. erfolgt sein. Das, was heute als Vedische Schriften bekannt ist, wäre somit ein Nebenzweig zu den frühen Kulturen Mesopotamiens, Griechenlands und Ägyptens.
Westliche Indologen haben das Alter der Vedischen Kultur und ihrer schriftlichen Zeugnisse bestimmt und kamen zu dem Ergebnis, dass die ältesten Teile, die Hymnen des Rgveda, ca. um 1500 v. Chr. entstanden seien, und die späteren philosophischen Schriften, die Upanishaden und Brahmanas, auf ca. 1000 v. Chr., sowie die Puranas, die Geschichtswerke, auf ca. 800-500 v. Chr. zu datieren seien.
Das Gesamtbild besagt also, dass der Ursprung der menschlichen Zivilisation um ca. 3000 -2900 v. Chr. in Kleinasien zu finden ist und seine erste Blüte sodann in der abendländischen gräco-romanischen Kultur ab ca. 500 v. Chr. hatte, die die Mutter unserer heutigen abendländischen Hochkultur ist.
Andere Kulturen wie die altindische vedische Kultur sind eher Randerscheinungen späteren Datums, die für eine Geschichte der menschlichen Kultur aus westlicher Sicht nicht in Betracht gezogen wurden.
Das vorliegende Buch nun, Hidden Horizons, geht einen gänzlich anderen Weg.
David Frawley ist einer der besten Kenner der indischen Kultur. Zusammen mit dem indischen Wissenschaftler Rajaram, Mathematiker, Linguist, Historiker und Autor anerkannter Werke zur indischen Philosophie und Geschichte, präsentiert Frawley hier eine völlig andere Geschichtsschreibung aus der indischen Perspektive.
Es wird deutlich, wie der eurozentrische Blick des Westens zahlreiche Indizien und Beweise aus der Archäologie, der Linguistik, der Astronomie und der Geschichtsforschung schlichtweg übersieht oder gar in manchen Fällen ignoriert, um die umstrittene These von der Arischen Invasion bzw. Migration und die Priorität der abendländischen Kultur zu verteidigen.
Gemäß dem vorliegende Buch gab es diese Arische Einwanderung nicht und die vedische Hochkultur begann bereits 10000 v. Chr., direkt nach der letzten Eiszeit. Sie hatte ihre Blüte in der Zeit von 8000-3000 v. Chr. in der geografischen Region des heutigen Pakistan, an den Flüssen Indus und Saraswati.
Ab 3000 v. Chr. begann eine Phase der Dürre, die zur Austrocknung der Saraswati führte und die dortige Hochkultur vertrieb. Bei der Hochkultur handelte es sich um die Harappa- und Mohenjodaro-Kultur, deren archäologische Funde erst im 20. Jahrhundert und zum großen Teil nach 1950 erfolgten. Die westliche Forschung vermutet nun, dass durch die Arische Einwanderung diese Indus- und Saraswati-Kultur zerstört wurde und die indischen Ureinwohner sodann mit der Arischen Kultur beglückt wurden.
Frawley und Rajaram zeigen indes, dass es keinerlei archäologischen Hinweise auf ein gewaltsames Ende der Indus-Kultur gab. Ebensowenig gibt es Hinweise auf relevante Einwanderungsströme. Der Fluss Saraswati gilt in der westlichen Lesart als nicht existent. Moderne Verfahren wie Satelliten-Aufnahmen zeigen jedoch, dass vor ca. 5000 Jahren dort ein sehr großer Fluss existiert haben muss.
Unzählige Ausgrabungen in diesen Region sind mittlerweile hinzugekommen und zeigen, dass die Funde in Harappa und Mohenjodaro keine Einzelfälle sind, sondern nur zwei Städte von Hunderten, die das ehemalige Ufer der Saraswati säumten. Das Ausmaß dieser Kultur und ihr Alter werden jedoch von der westlichen Forschung ignoriert.
Zum Glück ist jedoch die indische Wissenschaft mittlerweile selbst auf einem Entwicklungsstand, der eine fundierte und eigenständige Forschung in diesen Bereich ermöglicht und zu nicht eurozentrisch beeinflussten Ergebnissen kommt.
Es ist z.B. erstaunlich, wie die indische Forschung die schriftlichen Quellen auswertet. Hier erscheinen die Überlieferungen von Manu, dem Vater der Menschheit, den Weisen wie Vishwamitra und den Königsgeschlechtern wie den Purus als echte historische Fakten anstatt als heidnische Mythologie und Märchen, wie es die christliche Ethnozentrik interpretiert.
So stellt sich beispielsweise die Frage, wie der Rgveda an zahllosen Stellen den Fluss Saraswati glorifizieren kann, der ca. 3000 v. Chr. ausgetrocknet ist, wenn das Werk erst 1500 v. Chr. entstanden sein soll.
Frawley und Rajaram zeigen, dass die Vedischen Schriften zu der Harappa-Kultur gehören, und dass diese nach dem Ende der letzten Eiszeit, 10000 v. Chr. ihren Anfang nahm, als durch das Abschmelzen der Himalaya-Gletscher große Flüsse entstanden, u.a. die Saraswati, die mit einer mittleren Breite von 6-7 Kilometern zu den größten gehörte. Diese Vedische Kultur hatte also bereits um 8000 v. Chr. einen hohen Zivilisationsstand erreicht und blühte bis 3000 v. Chr.
Die Überlieferungen der Puranas und des Mahabharatas ergeben in dieser Zeitskala plausible historische Erklärungen und zeigen, dass die Wiege der menschlichen Zivilisation in Indien liegt. Auch das Datum der Schlacht von Kurukshetra unter der Mitwirkung von Krishna 3102 v. Chr. wird hier mit erstaunlicher Evidenz und vielen wissenschaftlich erarbeiteten Belegen untermauert.
Diese Schlacht und die einsetzende Dürre führten schließlich zum Untergang der Vedischen Hochkultur. Daraufhin zerstreuten sich die einzelnen Volksgruppen in alle umliegenden Gebiete und bildeten dort die heute noch bekannten Zivilisationen im Westen und Fernen Osten.
Die Vedischen Schriften in der heutigen Form wurden um 3000 v. Chr. von dem Weisen und Gelehrten Vedavyas kompiliert, als klar wurde, dass die Kultur so, wie sie bisher bestand, nicht weiter existieren würde. Diese Schriften beruhen jedoch auf Quellen, die aus dieser wesentlich älteren Hochkultur stammen.
Alle diese Aussagen finden sich in der Tat in den Vedischen Schriften selbst, wurden jedoch bisher aus westlicher wissenschaftlicher Sicht als mythische Phantasien abgetan.
In dem vorliegenden Buch nun werden zahlreiche neue Beweisführungen aus der Archäologie, der Linguistik, der Genetik, der Astronomie, der Geographie und der Geschichtsforschung vorgelegt, die allesamt beweisen: Die Vedischen Schriften sind mindestens 5000 Jahre alt und die Wiege der Zivilisation liegt nicht in Kleinasien oder Europa, sondern in Indien.
www.tattva.de
http://www.vedanet.com/index.php?option=com_content&task=view&id=131&Itemid=2
www.swaminarayan.org