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Zur Priorität der Gefühle

Viele Menschen sagen, alles hängt von den Gedanken ab und die Gedanken erzeugen die Gefühle. Das sehe ich anders. Die Gefühle sind primär und die Gedanken werden von den Gefühlen gesteuert.

Vom Denken ausgelöste Gefühle gibt es, aber es sind keine echten Gefühle. Die echten Gefühle werden nicht vom Mind beeinflusst, im Gegenteil wird der Mind durch die Gefühle geprägt. Ich kann ein ablehnendes Gefühl gegen jemanden haben, dann werde ich an jeder Stelle des Gesprächs intellektuelle Einwände haben. Wenn ich die Person aber wertschätze oder gar liebe, werde ich fast alles, was die Person sagt, als erleuchtend, wahr und richtig erleben. Und mein Mind und Intellekt werden entsprechende einleuchtende und logische Argumente für diese Haltung finden. Das ist aber so maskiert, dass ich tatsächlich ,denke‘, dass dies die richtig guten Argumente dafür bzw. dagegen sind. Wir sind intellektuell selektiv, wir haben keine objektive Anschauung.

Die objektive Anschauung ist das Ziel der  Philosophie, aber sie ist kognitiv-intellektuell nicht erreichbar. Equal vision setzt ein völlig ruhiges und balanciertes Gemüt voraus. Deshalb die Schattenarbeit und die Meditation. Es ist eigentlich eine emotionale Ausgeglichenheit, frei von Anhaftung und Abstoßung. Die Haltung kommt in jedem Urteil, in jeder Wertung zum Ausdruck. Antipathie oder Sympathie sind die treibenden Kräfte. Diese kommen nicht aus den intellektuellen Erkenntnissen und Überzeugungen, sondern aus der „Chemie“, der emotionalen Resonanz. Diese arbeitet instantan und schneller als das Denken. Auch gehirnphysiologisch ist das so. Bis der Neokortex reagiert, ist im Limbischen System schon alles gelaufen. Deshalb diese seltsamen Ergebnisse beim Libet-Experiment*. Die Schlussfolgerung ist nicht, dass wir Maschinen sind, deren Freiheit nur eine Illusion ist – die Freiheit wird als Freiheit des Denkens und Wollens verstanden. Das ist der Bereich, der im Neokortex verarbeitet wird.

Die Schlussfolgerung ist, dass wir fühlende Wesen sind, die ihre Entscheidungen instantan und zeitlich vor dem Bewusstsein treffen. Der Intellekt dient dann nur noch zur Umsetzung und Bewehrung der Entscheidung. Es ist eine gewisse Kränkung für das Bewusstsein, den Intellekt, die mentale Willenskonstruktion (Macht, Kontrolle), für das falsche Ego, denn die Gefühle können so erstmal nicht kontrolliert werden. Wir können nicht fühlen, was wir wollen. Deshalb versuchen viel spirituellen Wege, die Gefühle zu eliminieren.

Aber das geht so nicht.

Man sollte die Gefühle zu seinen Freunden machen und sie als Botschafter seiner Seele ernst nehmen. Die Gefühle zeigen die Wahrheit. Man kann alles fühlen. Oder man kann es denken. Beides geht. Aber das Denken ist das Empfangen, und die Gefühle sind die, die bestimmen. Wenn wir das Denken zum Bestimmen nehmen, spalten wir uns von uns selbst und von der Außenwelt ab. Die Einsamkeit des denkenden Menschen. Die Verbindungen gehen verloren. Die Bindungen, die Beziehungen, die Gefühle. Es bleibt nur Kontrolle und Herrschaft. Aber das wollen die meisten Menschen ja eben auch.

Die Gefühle können wir verfälschen, verdrängen oder manipulieren, indem wir an den Gedanken ansetzen. Das ist in einem schmalen Bereich auch vertretbar, in Notsituationen auch. Aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass Authentizität nur erreicht wird, wenn wir das echte Gefühl fühlen.

Die Freiheit des Individuums wird durch die Priorität der Gefühle nicht eingeschränkt, denn meine Gefühle gehören mir und zeigen mir den Weg zu mir selbst.

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* Das Libet-Experiment kurz erklärt:

Der Proband sollte spontan oder geplant die rechte Hand bewegen. Der Zeitpunkt des Bereitschaftspotentials im motorischen Kortex kann einwandfrei gemessen werden. Mithilfe einer Uhr sollten die Probanden den Zeitpunkt der Entscheidung, die Hand zu bewegen, definieren. Der Proband konnte also subjektiv bestimmen, wann er die Hand bewegt und den Zeitpunkt mithilfe der Uhr angeben. Bei den Messungen zeigte sich, dass der Bewegungsimpuls bereits mehr als eine halbe Sekunde vor der bewussten Entscheidung erfolgte.

Benjamin Libet schlussfolgerte daraus, dass der Mensch keinen freien Willen hat und sah die Verantwortlichkeit des Menschen in Frage gestellt. Das Libet-Experiment löste im reduktionistischen Lager der Biologie und Physiologie viele Folgespekulationen aus, die dem Bewusstsein, dem freien Willen und dem Geist die Existenz absprachen.

Auffällig finde ich, dass sie das Limbische System nicht gemessen haben. Gemäß der Hypothese, dass die Gefühle die Priorität sind, erfolgt der Handlungsimpuls im Limbischen System oder in der Amygdala, also in den Gefühle verarbeitenden Gehirnregionen. Der Neokortex, als Bereich des bewussten Denkens, der Logik und der Strategie wird zeitlich danach aktiviert.

Aus der transzendentalen Sicht ist es ohnehin so, dass das Gehirn nur das bildgebende Organ ist und nur bedingt die spirituellen Impulse des spirituellen Lebewesens materiell abbildet und im materiell manifestierten Körpersystem weiterverarbeitet, damit unser materieller Anteil in der Wechselwirkung mit dem materiellen Umfeld funktioniert. Materiell bedeutet hier: kausale Abhängigkeiten innerhalb von Raum und Zeit. Zum Beispiel brauche ich mit meinem materiellen Körper immer einen Ort, wo ich mich befinde. Dieser Ort darf nicht von jemandem anders besetzt sein. Ich habe also bestimmte Abhängigkeiten oder Bedingtheiten, die kalkulatorisches und strategisches Verhalten erfordern. Das Denken dient im Wesentlichen dazu, diese materiellen Bedingtheiten zu meistern.

Spirituell bin ich nicht bedingt oder abhängig von Raumzeitgegebenheiten. Die Quantentheorie entdeckt mittlerweile die Wirkung der Information auf die Materie, wobei die Information selbst keine räumliche oder zeitliche Begrenzung hat, sehr wohl aber auf die Energie wirkt. Die Energie wiederum wirkt auf die Materie. Vgl. hierzu Carl Friedrich von Weizsäckers Proklamation der Qubits, der nicht-materiellen Informationsquanten, sowie Prof. Dr. Thomas Görnitz und Dr. Brigitte Görnitz in Tattva Viveka 49-50 zur Quanteninformationstheorie.

Zum Libet-Experiment siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Libet-Experiment

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Tattva Viveka

Tattva Viveka 48 erschienen

Armin Risi – Spirituelles Unterscheidungsvermögen. Warum Polarität und Dualität nicht dasselbe sind • Ronald Engert – Wir sind alle ewige Personen. Zur Existenz eines individuellen Selbst • Daniel Barron – Wer wir noch nie waren. Die Realität des persönlichen authentisierten Seins • Dr. Ulrich Ott – Meditation für Skeptiker. Ein Gehirnforscher auf der Suche nach dem Selbst, Teil 2 • Angela Mahr – Tantrische Liebe, was ist das? Das Göttliche im Menschlichen annehmen, Teil 2 • Andreas Gruss – Der Weg des Vergessens. Auf den Spuren der Freimaurer, Teil 2 • Andreas Bummel – Soziale Evolution, Weltparlament und Bewusstsein • Michael Habecker – Lebenslust, die Erleuchtung der Fülle. Ein integrales Verständnis von Erleuchtung
http://www.tattva.de/tattva-viveka-48/

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